Schwarzwaelder Dorfgeschichten
zusprang und schwur, ihn zu erdrosseln, wenn er nicht in sich gehen und sich bessern wolle. Die Mutter weinte und wehrte ab so viel sie vermochte und nach der eigenthümlichen Frauenart sprachen ihre Klagen nichts davon, wie jammervoll dieser Bruderstreit an sich war, sie wiederholte nur immer: »Was ist das für eine Schande vor den Leuten, daß ihr so Händel miteinander habt! Um Gotteswillen! Das ganze Dorf läuft ja zusammen! Draußen steht Alles und horcht zu!«
Die Zuckerin saß auf der Bank und hielt die Hände still ineinander. Xaveri schaute nur Einmal mit wildem Blick nach ihr hinüber; wie ein Blitz durchzuckte ihn der Gedanke, wie schändlich es von seiner Frau sei, daß sie ihm nicht beistehe und seinen Bruder nicht abwehre, der ihm fast den Hals zudrehte. »Laß los, du hast Recht,« rief er, aber doch keuchend. »Du mußt Recht haben, weil Du so gegen mich sein kannst. Das hätt' ich nie geglaubt!«
»Ich hätt's auch nie geglaubt!« sagte Trudpert, ließ ab und seine Hände zitterten.
Xaveri versprach aufrichtig, sich zu bessern, und als er mit seiner Frau heimging, schaute ihm die Mutter aus ihrem Fensterchen nach und betete auf den nächtigen Weg der Heimgehenden noch lange inbrünstige Gebete.
Der offenkundige Zerfall, den Xaveri herbeigeführt hatte, schmerzte ihn sehr; wir müssen aber sagen, nicht sowohl um des verlorenen Glücks willen, als um die preisgegebene Ehre. Vor Tag ging er mit dem Pflug in's Feld oder zum Holzfällen in den Wald und kehrte erst am Abend wieder heim. Im Wirthshaus sah man ihn lange nicht. Die Leute sagten, sein Gesicht sei zerkratzt, er könne sich nicht sehen lassen, man habe ihn solch einen Ausruf einmal bei Nacht schreien hören; das war nicht der Fall, seine Frau hatte ihm nur während seiner Abwesenheit seinen Namen von der Kiste abgekratzt und so oft er nun darauf sah, kochte ein Ingrimm in seiner Seele; er sprach zwar nur Einmal davon, immer aber mußte er daran denken, wie ganz anders es stünde, wenn er mit seinem unversehrten Namen davongezogen wäre über's Meer. Im Hause wurde wenig gesprochen, es war weder Streit noch Friede. Nur Einmal entbrannte jener wieder, als die Zuckerin die Kiste verkauft hatte und Xaveri eben dazu kam, wie man sie abholen wollte. Er hielt sie zurück mit dem Bedeuten, sein Eigenthum dürfe niemand Anders verkaufen als er selbst.
Die Zuckerin, deren Kramladen ganz verödete, kochte ihrem Mann fast gar Nichts mehr und er mußte sich wieder bei seiner Mutter erholen.
Die Ernte kam herbei. Xaveri ging schon vor Tag hinaus nach dem Acker neben dem Kirchhofe. Dieses Hinausschreiten im kühlen Morgennebel, da sich ein grauer Schimmer auf Gras und Staude legt, diese Freude am frischen Gang aus Dumpfheit und Verzerrung zur Arbeit, die jetzt noch als Lust entgegenwinkt, der Gruß der Begegnenden, die sich zu gleichem Thun aufmachten und einander in der sichern Hoffnung auf einen hellen Tag bestärkten: Alles machte Xaveri plötzlich im Innersten froh; er dachte kaum mehr an sein verworrenes Leben und es schien ihm leicht zu glätten, mindestens wollte er Alles thun, damit es schön und heiter werde. Xaveri war trotz Allem doch noch Bauer genug, daß er seine Freude an dem schönen Acker hatte, den er jetzt sein eigen nannte; er lachte vor sich hin, als er denken mußte: es ist doch gut, daß sich die Wiesen und Aecker nichts um die Händel im Hause kümmern und beim Unfrieden nicht davon laufen; sie wachsen still, und wie prächtig steht hier das Korn! Ihr seid doch glückliche Menschen und Gott ist gut, daß er euch den Unfrieden nicht entgelten läßt. –
Der erste Anschnitt eines Ackers hat immer etwas Feierliches, besonders für den einsam Arbeitenden; der alte Lachenbauer hatte immer gebetet ehe man anfing; Xaveri that das nun zwar nicht, aber indem er die Sichel noch einmal wetzte, wetzte er gleichsam noch einmal seine Gedanken und die waren: daß er fortan arbeitsam und friedsam sein wolle. – Das Feld war ergiebig, die niedergelegten Halme, die sogenannten Sammelten, lagen so nahe aneinander, daß man gar keine Stoppeln mehr sah, und das ist das fröhlichste Zeichen einer reichen Ernte. Die Sonne war emporgestiegen, die Lerchen sangen in blauer Luft, aber Xaveri horchte nicht hin und sah nicht auf, seine Gedanken waren drüben in Amerika: »Wie anders wäre das, wenn du dort zum Erstenmal Ernte hieltest, auf einem vordem nie bebauten Boden! Hier tönt die Morgenglocke – dort hört man kein Geläute; vom Acker daneben
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