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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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länger andauernde Blüthenzeit. War der Kelch, der sich hier erschloß, eine Distel oder gar eine Giftpflanze? Die Nahrung mindestens, die Xaveri zu sich nahm, war in Zorn und Hader vergiftet. Er hatte einen unüberwindlichen Abscheu vor allem Geschirr, das vom Zuckermännle und der alten Zuckerin herstammte, und wenn er das seiner Frau sagte, daß er die Alten immer husten höre, lachte sie ihn höhnisch darüber aus, und suchte seinen Ekel noch zu vermehren. Er suchte sich fortan zu überwinden, aber – es mag seltsam scheinen, und doch ist es so – eine Hauptursache vieler Verstimmungen war: die Zuckerin bereitete das Essen so, daß es Xaveri fast gar nicht genießen konnte. Anfangs half er sich damit, daß er sich, zuerst wie zum Scherz, dann aber zu bitterem Ernst von seiner Mutter das Nöthige bereiten ließ und bei ihr verzehrte; er scheute sich noch, vor den Leuten zu zeigen, wie es ihm ergehe.
    Wie seltsam war es Xaveri zu Muthe! Sonst ging er satt aus dem Hause und jetzt ging er hungrig aus demselben um im Wirthshause zu essen. Er schämte sich, Etwas zu bestellen und doch war ihm so öde und so bitter. Er ließ sich manchmal verstohlen in der Küche Etwas geben und aß es hinter dem Hause. Bald aber bestellte er sich schon oft am Tage vorher was er morgen haben wolle, und aß vor aller Welt im Wirthshause. Und wenn er nach Hause kam, sprach seine Frau, die das immer schon erfahren hatte, ihm das Nachgebet dazu; sie machte ihm nun zum Possen das Essen immernoch schlechter und aß selber vorher insgeheim.
    Xaveri hatte nie Karten gespielt, aber jetzt saß er oft bis tief in die Nacht hinein im Wirthshause und spielte. Er wollte sich selber vergessen, nichts von sich und seinem Elend wissen, und er fragte sich nicht mehr, worin eigentlich dies sein Elend bestehe, und wie es zu fassen und zu ändern sei. Er sagte sich immer nur, daß er im Elend sei; das war eine ausgemachte Sache, und er wollte ermüdet sein und nichts mehr denken können, wenn er spät heimkam und sich zum Schlafen niederlegte. Anfangs gewann er im Spiel, aber er machte sich nichts aus dem Gewinn; er wollte das zeigen und wurde immer waghalsiger. Natürlich spielte man auch nicht trocken, und in der Hitze von Spiel und Trunk gab's manchmal Händel, aber sie wurden bald wieder geschlichtet; denn Spielgenossen sind seltsam friedfertig, und trotz allen Streites denken sie doch innerlich immer wieder darauf, des zu erhoffenden Vergnügens und Gewinnstes nicht zu entbehren. Nun verlor Xaveri geraume Zeit, denn er hatte seine Gedanken nicht beim Spiel; bei jeder Karte die er wie einen Axthieb auf den Tisch warf, dachte er oft und oft an seine Frau, daß die ihn zwinge liederlich zu sein und zu spielen. Er wollte sich aber nicht mehr zwingen lassen, setzte eine Zeitlang aus und schaute nur zu, wie die Andern spielten; später glaubte er es besser gelernt zu haben und that wieder mit, aber auch jetzt verlor er unbegreiflicher Weise fast immer. Er lachte laut und verspottete sich über seinen Verlust, aber innerlich nahm er sich fest zusammen und rührte fortan keine Karte mehr an.
    Xaveri, der bei aller Wildheit doch noch immer eine gewisse Ehrfurcht vor der Häuslichkeit hatte, die er in so schöner Weise bei seinen Eltern kennen gelernt, bewog seine Mutter, hier vermittelnd einzugreifen, und es gelang der alten Lachenbäuerin, eine entsprechende Friedsamkeit herzustellen. Die beiden Eheleute schienen wieder geraume Zeit in Eintracht miteinander zu leben. Xaveri ermannte sich und griff wacker zu, aber sobald nur der kleinste Zwist ausbrach, sobald nur das geringste Ungemach sich zeigte, war immer sein erster Gedanke: »O, wär' ich doch, wo mich meine Kiste hinweist!« Er hatte dies einmal gegen seine Frau ausgesprochen und sie holte die Axt und wollte die Kiste zertrümmern und verfluchte ganz Amerika und jeden Gedanken daran. Nur mit der größten Milde und Nachgiebigkeit und durch den schließlichen Vorhalt, daß die Kiste fünf Gulden werth sei, und daß er sie bei nächster Gelegenheit einem Auswanderer verkaufe, rettete er sie noch. Wenn aber fortan ein Gedanke an die neue Welt in Xaveri aufstieg, verschloß er ihn in sich; manchmal konnte er minutenlang in der Kammer auf die Kiste hinstarren und seine Gedanken zogen weit ab von Allem, was ihn umgab.
    Wenn Xaveri Abends im Pflugwirthshause saß, schaute er durch die Tabakswolken oft nach jener Tafel, darauf das Schiff schwamm, und wo mit rother Schrift zu lesen war: »Nach Amerika!« Wenn

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