Schwarzwaelder Dorfgeschichten
worden sei. Dann warf er sich wieder auf das Antlitz nieder, als wolle er sich in die Heimatherde einbohren und eingraben. Jetzt liegst du noch auf der Heimatherde, und bald mußt du sie verlassen! sagte er oft vor sich hin, und während er mit einem Grashalm in seinen Zähnen stocherte, sang er dann wieder und wieder:
Und wer einen steinigen Acker hat
Und einen stumpfen Pflug,
Und ein böses Weib daheim,
Der hat zu feilen g'nug.
Der Vers kam ihm gar nicht aus dem Sinn, als wären es nur noch die einzigen Worte die er kannte und kein anderes mehr.
Ja, was denkt und sinnt nicht Alles ein Mensch, der in sich verwirrt und verwahrlost ist und sich noch mehr verwirrt und verwahrlost!
Xaveri war wie ein Fieberkranker, der im Bette liegt und in einfachen Linien an der Wand, in Leisten und Nägeln allerlei Bilder und Zeichen sieht, Schnäuzchen und Henkel am Wasserkrug wird zu Mund und Höcker eines seltsamen Männchens, und Schränke, Stühle und der Tisch, Alles verwandelt sich in beängstigende Ungeheuer.
Wenn Xaveri den Weg dahin ging und seinen Schatten sah, kam es ihm oft vor, als wäre er selber nur noch ein Schatten; er spielte mit seinen Schattenbildern und machte allerlei Sprünge und Stellungen wie die Kinder. Die Leute hielten ihn für närrisch.
Aber was ist denn ein Mensch, der die ihm gegebenen Verhältnisse nicht so zu fassen und zu gestalten weiß, daß wenn auch nicht Glück, doch Ruhe und Frieden daraus erwachsen muß?
Die Sühneversuche zwischen Xaveri und seiner Frau, die vor dem Pfarrer, vor dem Kirchenconvent und dem Amte wiederholt abgehalten wurden, blieben erfolglos. Xaveri bestand darauf, daß er nie mehr zu seiner Frau zurückkehre. Die Entscheidung zog sich lange hin, und endlich im Herbst wurden sie getrennt, da sie nicht geschieden werden konnten. Mehr als ein Drittheil seines Vermögens, das Xaveri in das Hauswesen gesteckt hatte, war verloren; es zeigte sich bei der Auseinandersetzung ein auffälliger Rückgang des Besitzthums, aber doch blieb Xaveri noch so viel, um in der Ferne sein Heil suchen zu können. Noch einmal wurde die Kiste frisch angestrichen, noch einmal der Name darauf geschrieben und abermals ein Ueberfahrtsvertrag mit dem Pflugwirth abgeschlossen. Des Lenzbauern Philipp von Deimerstetten und Lisabeth mit ihrer zahlreichen Familie wanderten zu gleicher Zeit mit Xaveri aus.
Das war ein anderes Abschiednehmen als vor einem Jahre. Damals war Xaveri stolz und im vollen Bewußtsein seiner Geltung, Jeder mußte bedauern, daß er wegging; jetzt reichte man ihm kaum die Hand und sprach kaum halbe Worte, und Xaveri glaubte es diesem und jenem anzusehen, daß man ihn fortwünschte, und er nahm sich nun als einzige und letzte Rache vor, Keinem mehr Ade zu sagen. Nur auf dringendes Bitten der Mutter ging er zu Trudpert und reichte ihm die Abschiedshand. »Ich verzeihe dir,« sagte Trudpert. »Und ich verzeihe dir,« trotzte Xaveri und ging fort. Die Brüder, die einst so einträchtig miteinander gelebt, schieden jetzt in innerem Groll; Jeder glaubte sich vom Andern tief gekränkt und Jeder sprach Worte, die ganz Anderes ausdrückten, als was sie eigentlich sagten.
Xaveri hielt sein Waldhorn in der Hand, als er, auf dem Wagen neben seiner blauen Kiste stehend, durch das Dorf fuhr; er hatte lustig blasen wollen, aber er brachte es nicht zu Stande, es versetzte ihm den Athem. Er schaute um und um nach den gewohnten Menschen: dort lud Einer Mist und nickte ihm im Aufladen zu, dort spannte Einer seine Ochsen ein und das Joch in der Hand haltend, rief er ein Lebewohl. Drescher kamen aus den dunkeln Scheunen, nickten und riefen noch ein »B'hüt's Gott!« und kaum war er vorbei, so hörte er hinter sich den Tactschlag der Dreschflegel. Mitten im Dorf stand die Zuckerin am Weg. »Du da, leg' dich vor's Rad, daß ich über dich wegfahren kann,« schrie ihr Xaveri zu. Die Frau schaute wild um sich, nahm einen gewaltigen Stein auf und schleuderte ihn nach Xaveri. Der Stein kollerte auf die Kiste und zerriß noch einmal den Namen. Xaveri öffnete ohne ein Wort, im Anblick vieler Versammelten, die Kiste und legte den Stein hinein. Jetzt fiel die Zuckerin auf die Kniee und schrie: »Bleib' da! Verzeih', ich bitt' dich mit aufgehobenen Händen, verzeih'. Ich seh' was ich gethan habe; bleib' da. Du bist mein Mann, laß mich's an dir gut machen.« Xaveri war leichenblaß geworden, aber er schüttelte mit dem Kopf und fuhr davon. Die Zuckerin wankte heim und saß lange weinend auf ihrer
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