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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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dem Hofe zu eigen gehört. An Sommerabenden oder auch am Sonntage wenn man nicht nach der mehr als eine Stunde entfernten Kirche gehen kann, versammelt der Hausherr seine Kinder und sein Ingesinde in dem Käppele (wie der Landesausdruck hier das Wort Kapelle umgewandelt hat) und vor den mit Blumen und Bändern geschmückten Heiligenbildern wird er selber eine Art Priester, indem er laut die üblichen Gebete spricht und Alles um ihn her kniet.
    Wir sind längst auf Grund und Boden des Furchenbauern, aber der Weg ist noch lang genug, daß wir uns einstweilen erinnern können, zu wem wir gehen, bis wir den Mann selbst vor uns haben. Damals, als wir mit dem Brosi auf der lustigen Hochzeit in Endringen waren und den Bändelestanz entstehen sahen, damals hatten wir uns vorgesetzt, die Geschichte des Furchenbauern zu erzählen. Wer damals das glückselige und reich gesegnete junge Paar erschaute, konnte nicht ahnen, welch ein schweres Geschick ihm bevorstand, das sich mit der Zeit erfüllte.
    Freilich, stolz und eigenmächtig war der junge Furchenbauer schon damals: hatte er ja dem armen Brosi einen Taglohn dafür geben wollen, wenn er mit Tanzen und Singen die Hochzeitsgäste erlustige; schon damals blickte der Furchenbauer mit einer stillen innern Verachtung auf Jeden herunter, der ihm nicht gleichstand und hielt es nur selten der Mühe werth, in Wort und Mienen das auszusprechen. Aber warum soll ein junger Baron in schwarzem rothausgeschlagenem Sammtrock, rother Weste und Lederhosen nicht eben so stolz sein wie einer mit Epauletten und goldgesticktem Halskragen? Der Furchenbauer konnte sich neben jedem Ritterbürtigen sehen lassen. Er war alleiniger Erbe oder wie man es hier zu Lande noch heißt, der Lehnhold des großen Gutes von der langen Furche, das sich in Wald und Feld weit über Berg und Thal ausbreitet; er hatte acht Roß im Stall, eben so viel Ochsen und die Doppelzahl Kühe und Rinder und Alles war schuldenfrei, denn er heirathete die Tochter des reichen fetten Gäubauern, des Vogts von Siebenhöfen, der den ehrenvollen Unnamen »der Schmalzgraf« hatte, und von dem Beibringen der Frau konnte die ausbedungene Losung der einzigen Schwester, die nachmals den Gipsmüller heirathete, blank ausgezahlt werden; der einzige Bruder, der sich dem geistlichen Stande weihte, erhielt nur einen Theil des ihm Zukommenden, das Uebrige ließ er auf dem elterlichen Hofe stehen, es war ja ohnedieß das einstige Erbe der Bruderskinder.
    Mit einem stolzen gesättigten Behagen sah der Christoph, oder wie er jetzt – da ihm seine Würde erst den rechten Namen verlieh – hieß, der Furchenbauer am Morgen nach seiner Hochzeit zum Fenster hinaus und schaute zu, wie der Wind mit den Morgennebeln spielte, fast so wie er selber die Tabakswolken vor sich her blies. Der Vater hatte ihm die Zeit lang gemacht, Christoph war ledigerweise viel älter geworden, als die Bauernsöhne seinesgleichen, der Vater schien das Gut nicht lassen zu können, bis der Tod es ihm entriß. Christoph zürnte im Stillen oft darüber, aber er war in Gehorsam und Unterwürfigkeit erzogen und durfte sich nichts merken lassen; war es ihm ja übel bekommen, als er einmal scherzweise zu seinem Vater sagte: »Gebt Euer Sach doch her so lang ihr lebet, dann höret Ihr's auch noch wie man Euch Dank sagt.« Christoph hörte die Antwort darauf nicht, aber er fühlte sie. Nur auf Bedrängen der Gefreundeten und besonders des zweiten Sohnes, der damals Pfarrverweser in Reichenbach war, ließ sich endlich der Vater bewegen, an Christoph abzugeben. Er wählte seinem Sohne die ebenbürtige Frau und dieser willfahrte nach altem Brauch; aber als müßte es doch zur Wahrheit werden, daß der Vater das Gut bei Lebzeiten nicht lassen könne, starb er vor der Uebergabe und der Hochzeit. Am Morgen nach dieser dachte Christoph mit einem gewissen wehmüthigen Danke an den Vater; er hatte Recht gethan ihn nicht früher in das Gut einzusetzen, jetzt erst war er geeignet, der Furchenbauer zu heißen, und ein schönes reichgesegnetes Leben lag vor ihm ...
    Die freudige Stimmung jenes ersten Morgens nach der Hochzeit ist schon lange verklungen. Wenn man bald vierzig Jahre im Besitze einer Macht ist, denkt man kaum mehr der Stunde, da man damit bekleidet wurde. Der Furchenbauer hat seitdem Mancherlei erlebt. Von neun Kindern waren ihm vier verblieben, drei Söhne und eine Tochter; er hatte die Freude, den ältesten zum Schmalzgrafen erhoben zu sehen, denn er erbte das Gut des Muttervaters;

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