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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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allerlei Sprünge macht, so sprang Ivo immer neben dem Nazi einher, wo er auch hingehen mochte.
    Wenn dann wieder die beiden auf dem Stroh saßen und Nazi die Geschichte vom Mockle 1 -Peter, vom Wacholdermännchen, oder von dem verwunschenen Fräulein von Isenburg erzählte, da bildeten die dumpfen Töne der fressenden Thiere eine schauerliche Begleitung zu der Rede Nazi's. Besonders die Geschichte vom Mockle-Peter, der den jungen Tannen, die noch bluteten, muthwillig die Kronen abriß und der als Baummörder in der Egelsthaler Halde geistet 2 , so wie die Geschichte vom Wacholdermännchen, das ein graues und ein schwarzes Aug' hat, die jedes Jahr mit ihrer Farbe abwechseln, diese Geschichten mußte Nazi oft erzählen; denn die Kinder sind noch nicht so verwöhnt, daß sie immer was Neues haben wollen.
    Bei diesen Wiederholungen hatte indes Nazi einen schweren Stand, denn sobald er etwas nicht mehr genau wußte oder anders erzählen wollte, fiel Ivo ein: »ei das ist ja nicht so.« Dann hob ihn Nazi auf den Schooß und sagte: »du hast recht, ich kann mich nicht mehr so recht darauf besinnen. Narrle, es gehen mir noch viele andere Sachen im Kopf herum,« und dann erzählte Ivo mit großem Eifer den weitern Verlauf, so daß Nazi von der Gelehrigkeit seines Schülers entzückt war.
    Oft aber sprachen auch die beiden über allerlei Lebensverhältnisse, von denen die Stadtkinder erst spät Einsicht und Kunde erhalten: von Reichtum und Armuth, Treue und Falschheit, Handel und dergleichen; denn das Leben im Dorfe ist stets ein offenkundiges, das Innere des Hauses ist Allen bekannt, groß und klein.
    Einst ging Ivo mit seinem Vater vom Zimmerplatze nach Hause.
    »Vater,« sagte er, »warum hat denn unser Heiland die Bäum' nicht viereckig gemacht, da braucht' man's ja auch nicht zu behauen?«
    »Warum? dummer Jung', da bräucht' man ja auch keine Zimmerleut' und hätt' auch keine Spän'.«
    Ivo war still, und der Vater dachte darüber nach, daß der Bub doch eigentlich gar »gut gekopft« sei, und daß es unrecht sei, ihn so barsch anzufahren; er sagte daher nach einer Weile:
    »Ivo, so Sachen fragt man in der Schul' den Lehrer oder den Herrn Pfarrer. Merk' dir das.«
    Das war brav von Valentin. Nur wenige Eltern sind so gewissenhaft und so klug, diesen allein richtigen Ausweg aus ihrer etwaigen Unwissenheit zu ergreifen.
    Ivo fragte aber nicht den Schullehrer und nicht den Pfarrer. Er ging zu Nazi und sagte: »Weißt du auch schon, warum unser Heiland die Bäum' nicht viereckig, gerade recht zum Bauholz gemacht hat?«
    »Weil man die Bäum' zu noch viel mehr Sachen als zum Bauen braucht.«
    Ivo stand verwundert da, das war noch eine andere Antwort.
    Dadurch, daß Ivo sich so innig an Nazi anschloß, hatte er unter seinen Altersgenossen keinen Kameraden; dafür betrachtete ihn aber auch Nazi wie seinen Vertrauten, und wenn er ihn liebkoste, sagte er: »Du gute alte Seele!« In besonders gemüthlichen Stunden erzählte er ihm dann auch viel von seinem Hellauf, dem Hunde, den er früher als Schäfer gehabt hatte, und der »gescheiter war als zehn Doktor«. »Ich sag' dir's,« beteuerte Nazi, »der Hellauf hat meine verborgensten Gedanken errathen; wenn er mich nume angesehen hat, hat er gleich gewußt, was ich will. Hast du schon einmal so einen Hund genau betrachtet? Die haben oft ein Gesicht, auf dem der Kummer ausgeschüttet liegt, grad' wie wenn es sagen thät: ich möcht' flennen, weil ich nicht mit dir schwätzen kann. Wenn ich meinen Hellauf so angesehen hab', da hat er gebellt und geheult und hat dabei die Augen zugedrückt, daß es mir durch die Seel' gangen ist. Wenn ich ihm nume ein bös Wörtle geben hab', hat er den ganzen Tag keinen Bissen gefressen, es war ein Thier, es war zu gut für diese Welt.«
    »Kommen die Hund' auch in Himmel?« fragte Ivo.
    »Ich weiß nicht, es steht nichts davon geschrieben,« erwiderte Nazi.
    Besondere Freude machte es dann Nazi, daß auch Ivo eine so innige Liebe zu den Thieren hatte; denn ganz alte einsame Leute oder Kinder, die beide mit ihrer Liebe nicht recht wissen, wohin, wenden ihre Neigung den Thieren zu. Diese machen keine Ansprüche, man hat wenig Pflichten für sie, und besonders erfährt man von ihnen nie Widerspruch, welchen sowohl die alten als auch die jungen Kinder nicht leiden mögen.
    »So eine Sau ist doch ein arm's Thierle,« sagte Ivo einmal, »die ist doch nur auf der Welt, um gemetzget zu werden; die andern Thiere kann man doch auch noch lebig gebrauchen.«

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