Schwarzwaelder Dorfgeschichten
jungen Pfarrer in's Haus gebracht, der ja morgen öffentlich getraut wurde mit seiner heiligen Braut, der Kirche.
Die Abendglocke läutete, Valentin ließ die Hand seines Sohnes los, der schnell seine Händchen faltete; auch Valentin legte über dem schweren Handwerkszeuge die Hände übereinander und betete ein Ave. – –
Andern Morgens schaute ein heller Tag auf das Dorf herab. Ivo wurde schon früh von seiner Mutter schön angekleidet mit einem neuen Janker von gestreiftem Manchester und, wie ihm schien, silbernen Knöpfen und frisch gewaschenen, kurzen ledernen Beinkleidern; er sollte das Kruzifix tragen. Gretle, die älteste Schwester Ivo's, nahm diesen bei der Hand und führte ihn auf die Gasse, damit es »Platz im Hause gebe«. Sie schärfte ihm ein, daß er ja nicht mehr zurückkehren solle; dann eilte sie geschäftig in's Haus zurück. Ivo ging das Dorf hinein, überall standen die Männer und Burschen in Rädchen auf der Straße; sie waren nur in halbem Putze, ohne Jacke oder Rock, die weißen Hemdärmel zur Schau tragend. Hier und dort sprangen Frauen und Mädchen, ebenfalls ohne Mieder, mit halb aufgelösten Haaren und das flatternde rothe Wickelband in der Hand tragend, von einem Hause in's andere. Es erschien Ivo als eine grausame Tyrannei seiner Schwester, daß er so aus dem Hause verstoßen war. Er wäre auch gar zu gerne wie die großen Leute zuerst im Halbstaate und dann unter dem Geläute der Glocken in voller Pracht erschienen; aber er wagte es nicht, wieder zurückzukehren, noch irgendwo sich niederzulassen, aus Furcht, seine Kleider zu verderben. Behutsam ging er so durch das Dorf. Wagen an Wagen brachte fremde Bauern und Bäuerinnen, aus den Häusern wurden ihnen Stühle zum Absteigen entgegengetragen und sie freundlich bewillkommt. Alle Leute sahen heute so in sich vergnügt, so erhaben aus, wie eine Einwohnerschaft, die einen sieggekrönten Helden aus ihrer Mitte im Triumphe empfängt. Von der Kirche bis zur Hochbux war die Straße mit Gras und Blumen bestreut, die einen würzigen Duft emporsteigen ließen. Der Schultheiß kam aus des Schneider Christle's Haus und setzte erst auf der Straße seinen Hut wieder auf. Der Soges hatte ein frisch lackiertes Bandelier an seinem Säbel.
Bald darauf kam auch die Frau Schultheißin, ihr sechsjähriges Töchterchen, Bäbele, an der Hand führend. Bäbele war geschmückt, just wie eine Braut. Es hatte die Schappel samt dem Kränzchen auf dem Kopfe und war überaus prächtig gekleidet; in der That stellte Bäbele, als reine Jungfrau, die Braut des jungen Geistlichen vor.
Es läutete zum erstenmal, und wie durch einen Zauberruf zerstreuten sich plötzlich die Gruppen der hemdärmeligen Leute, sie gingen in die Häuser, um sich würdig anzukleiden, Ivo ging nach der Kirche.
Unter dem Geläute aller Glocken bewegte sich endlich der Zug aus der Kirche hervor. Die Fahnen flatterten, die Stadtmusik, die von Horb herbeigekommen war, schallte drein, und dazwischen hörte man wieder die Gebete der Männer und Frauen. Ivo ging voraus neben dem Lehrer mit dem Kruzifix. Auf der Hochbux war der Altar schön geschmückt, die Kelche und Lampen, die Flitterkleider der Heiligen glitzerten im Sonnenlichte, und unabsehbar über die ganze Heide und über die Felder war die Menge der Andächtigen ausgebreitet. Ivo wagte es kaum, den Hajrle 2 anzuschauen, der in golddurchwirktem Gewande, entblößten, nur mit dem goldenen Kranze geschmückten Hauptes und bleichen, frommen Antlitzes, unter dem Schalle der Musik sich stets tief verbeugend, die kleinen weißen Hände auf der Brust übereinander legend, die Stufen des Altars hinaufstieg. Ihm voraus war des Schultheißen Bäbele gegangen, das als seine Braut eine mit Rosmarin umwundene, brennende Kerze in der Hand trug. Es stellte sich zur Seite des Altars auf. Das Hochamt begann, und als die Klingel läutete, stürzte Alles auf das Antlitz nieder, kein Laut war weit umher vernehmbar; nur ein Flug Tauben flog gerade über den Altar weg, und man hörte das Flattern und Zwitschern dieser Thiere, das man stets bei ihrem Fluge vernimmt. Um Alles in der Welt hätte Ivo nicht aufgeschaut, denn er wußte wohl, daß jetzt der heilige Geist herniedersteigt, um die geheimnisvolle Wandlung des Weines in Blut und des Brodes in Fleisch vorzunehmen, und daß kein sterbliches Auge sich zu ihm erheben darf, ohne zu erblinden.
Der Kaplan von Horb bestieg nun die Kanzel und redete den Primizianten feierlich an.
Hierauf bestieg der Hajrle
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