Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Ermahnung erfolgt; aber Franzseph konnte nicht über den kindischen Stolz hinauskommen, der ihn eben darum auch gegen seine Pflicht widerspenstig machte. – Wie er eben jetzt wieder nicht selber die Wieden nach dem Bach trug, sondern mit der Hakengabel spazirend daherschritt, kam ihm der oft unterdrückte Gedanke, geradeswegs zu dem Schlägelbauer zu gehen und ihm zu sagen: Vetter, Ihr habt Recht, und Ihr werdet sehen, ich bin fleißig ... Aber sein Athmen ging schneller schon vor Zorn über diesen Gedanken, den er doch nicht bannen konnte und heftig schlug er mit der Hakengabel auf, denn es wurde ihm klar, daß seine bisherige Lässigkeit ihn in eine verkehrte Lage gebracht: wie tapfer er auch künftig sich rühren möge, der Schlägelbauer wird ihm immer mißtrauisch aufpassen und er geräth dadurch in eine unerträgliche Botmäßigkeit, über die alle Menschen spotten müssen; hätte er nie den Namen eines Müßiggängers auf sich geladen, da stünde er ganz anders da. Der Schlußpunkt dieser Wahrnehmung waren folgerecht immer Zorn und Reue über die vergangenen und schlaffer Mißmuth ja Verwünschungen über die kommenden Tage, wobei er sich jedesmal wünschte, wieder unter den Soldaten zu seyn; da steht man doch unter einem festen Commando, dem folgt man und hat sich nicht von dem Blick eines Jeden befehlen zu lassen. Dießmal aber konnte er nicht hierbei beharren: am Montag begann die Ernte und die verschlossene Trutzigkeit, der Hader mit sich und der Welt mußte auf eine oder andere Weise geändert werden.
Franzseph schickte den Knecht nach Haus und weichte mit der Hakengabel die Wieden im Bach ein. Er hatte sich hierzu eine recht bequeme Stelle ausgesucht, da, wo auf eingerammtem Balken ein Brett befestigt war und eine Art Landungsbrücke bildete. Von hier aus konnte man auch ungesehen beobachten, wer beim Schlägelbauer aus- und einging. Jetzt sah Franzseph Madlene mit dem Vater daher kommen, sie konnten ihn nicht bemerkt haben, er hatte sich schnell hinter den Weiden versteckt; dennoch hörte er wie der Schlägelbauer über den Bachsteg gehend und oft vom Husten unterbrochen sagte:
»Ein gesunder Mensch, der faul sein kann, ist der liederlichste. So ein lottriger Tagdieb meint wunder wie gut er sei, weil er Niemand was stiehlt, er legt sich auf die faule Haut und schreit immer: ich bin ja so gutmüthig, ich bin ja so brav.«
Franzseph ballte beide Fäuste und wollte schreien und fluchen, aber der Laut erstickte ihm in der Kehle und drohte ihn fast zu erwürgen. Er starrte in den Bach hinein und wußte nicht wie ihm geschehen, ihm war so dumpf, als hätte plötzlich ein schwerer Hammerschlag ihn auf den Kopf getroffen. Endlich raffte er sich auf und nur der eine Gedanke lebte in ihm, wie er Rache nehmen könne für die erlittene Unbill; er konnte nichts finden, und doch wollte er durch eine gewaltige That zeigen, wie himmelschreiend Unrecht ihm geschehen sei. Noch einmal durchblitzte ihn der Gedanke, durch rastlose Emsigkeit darzuthun, wie sehr man ihn verkannt habe; aber schnell verwarf er diese Demuth wieder. Sollte er Jeden zum Zeugen seiner Rührigkeit aufrufen und sich von ihm den Stempel seiner Geltung aufprägen lassen? – Franzseph war ein Soldat, dürfen diese versessenen Bauertölpel über seine Ehre richten? Freilich mußte er unter diesen Menschen leben, aber sie mußten einsehen lernen, daß er etwas Besseres sei als sie. Darum erschien es ihm zuletzt am genehmsten, in trotziger Verachtung den Unverstand herauszufordern. Mitten in der Ernte, die übermorgen beginnen sollte, wollte er sonntäglich geschmückt müßig und Zigarren rauchend auf den Feldern und im Dorf umherschlendern, bis Alle ihm Abbitte thun, daß sie das ihm inwohnende Streben nach Arbeitsamkeit so grausam verkannt hatten. Aber woher sollten die Menschen an eine Tugend glauben, von der sich ihnen gerade das Gegentheil unter die Augen stellte? Sie müssen es dennoch, denn was ist das für eine Achtung und Liebe, die erst Beweise verlangt, daß man sie verdiene?
In der Seele dieses jungen Mannes erhob sich ein Widerstreit, den er in Worten nicht hätte darlegen können, und doch bewegte sich's in ihm und die Leidenschaft erschloß ungeahnte Quellen.
Weit hinein stieß Franzseph die Wieden, daß sie den Bach hinabschwammen, als stieße er damit jeden Gedanken an Arbeit von sich und er freute sich seines Nichtsthuns auch für die kommenden Tage wie einer Lustbarkeit.
Es liegt in der Trägheit eine eigne Wollust, ja man
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