Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
Vom Netzwerk:
dessen lange Stangen wie ein getödteter Wald mitten im Felde standen. Er mußte lächeln bei der Erinnerung an die Prophezeihung des Dorfschützen, daß diese Stangen noch zu einer Generalprügelei verwendet würden – aber plötzlich hielt er an, er hörte in der That Schritte, die hinter ihm drein kamen; schnell sprang er in das Kornfeld, kauerte in den hohen Halmen nieder und hielt den Athem an. Die Schritte kamen immer näher und jetzt hielt der unsichtbare Wanderer an der Stelle, wo Franzseph verschwunden war und dieser überlegte rasch, wie er sich verhalten müsse, wenn er entdeckt würde; aber der Suchende ging vorüber und der Versteckte athmete frei. Der Flurschütz hatte wohl noch seinen nächtlichen Rundgang gehalten; es war nun sicher, daß er in der heutigen Nacht nicht mehr in diese Gemarkung käme. Noch eine Weile verharrte Franzseph in seinem Versteck, dann wendete er sich sorglos rechts nach dem Speckfeld. Im Umschauen däuchte es ihn einmal, als ob die Stangen im Hopfengarten sich bewegten und ein Knistern und Knarren von dorther dringe; aber das war gewiß nur Täuschung, wie sollten die festen Pfähle sich jetzt beugen, da ein leiser Windhauch kaum die Spitzen der Halme bewegte. Franzseph schritt fürbaß und gelangte endlich zu seinem Ziel, er nickte mehrmals, denn er fand die Merkzeichen, daß er am Gerstenacker des Schlägelbauern war. Er nahm die Einhüllung von der Sense und strich mit dem Wetzstein so leise als möglich über die Schneide. Als aber jetzt die Thurmuhr im Dorf zehn zu schlagen begann, wagte er es, gedeckt von diesem Klange, kecker die Sense zu wetzen und nun ging's frischer an's Mähen, daß die Halme rauschend zu Boden fielen; dabei war er aber noch so hastig, daß er mehrmals die Sensenspitze in den Boden bohrte, er zwang sich nun zu gemäßigter Thätigkeit und ruhig vorwärts schreitend legte er die Halme nieder. Die Schwingung hin und her ging so geruhig und fast mühelos, es war als ob in die Sense ein eigen Leben gefahren wäre, sie bewegte sich wie von selbst in seiner Hand, mähte die Halme und zog ihn allmälig nach. Vom Wald herüber hörte man das Krächzen und Winseln junger Eulen, die sich wohl um eine Beute balgten. Was kümmert den Thätigen all das Geschrei um ihn her? Nur der Arbeitsledige horcht überall hin und findet darin willkommene Zerstreuung. Erst als Franzseph die volle Ackerlänge durchgemäht hatte, gönnte er sich ein Aufathmen, und die Art, wie er sich reckte, zeigte jetzt, daß nicht Müdigkeit ihn lähmte, sondern neue Lebenskraft seine Glieder durchströmte. Es duldete kein langes Ausruhen und rückwärts ging's in gleicher Thätigkeit, die so gleichmäßig im Takt fortschritt, daß sich Franzseph eine Art Melodie dazu dachte. All das Denken, das am Tage und jetzt in der Nacht durch seinen Sinn gezogen, ruhte nun im tiefsten Grunde seiner Seele wie ein verborgenes Labsal.
    Wie bald aber ändert sich Denken und Thun. Wieder auf dem ersten Ausgangspunkt angekommen, fühlte Franzseph einen Hunger, wie er ihn seit lange nicht gekannt hatte, aber er blieb bei seinem Vorsatz, erst nach drei vollen Mahden sich eine Erholung zu gönnen, und nun dünkte ihn nicht mehr, daß die Sense sich von selbst bewege und pfiff er auch keine Melodie mehr zur Arbeit; als gälte es einen Widersacher zu erlegen, so ernst und mit angespannter Kraft schritt er mähend vorwärts. Die Aehren rauschten nieder und es sumste und schwirrte gar seltsam am Boden. Franzseph hatte gegen seine Mutter mit dem Jähhunger gespaßt, jetzt schien er ihn wirklich zu überkommen, jedes Ausholen mit der Sense ward zur Beschwerde, aber er ließ nicht ab und langte endlich von Schweiß triefend zum Drittenmal an seinem Ziel an. Er setzte sich auf den Markstein nieder und wischte den Schweiß von der Stirn. Das ist ein Thau, der die Menschenkraft gedeihen macht, und das Brod, das der Einsame jetzt zum Munde führte, war nährenden Segens voll. So hatte noch nie ein Bissen geschmeckt.
    »Fleiß ist Tugend,« hat Faber einmal gesagt, und jetzt tönte das Wort wie ein Segensspruch von unsichtbaren Lippen um den jungen Mann, der allein in stiller Nacht sein Brod verzehrte. Wohl giebt es einen Fleiß, der der Habgier und allen schlechten Trieben dienen muß, und doch ist Fleiß, die lebendige Bethätigung der Kraft, Grundlage alles echten Thuenden, aller Tugend.
    Vom Dorf herüber schlug es zwölf Uhr, und der Nachtwächter rief die Stunde. Franzseph konnte es kaum glauben, daß er schon so

Weitere Kostenlose Bücher