Schwarzwaelder Dorfgeschichten
gesprungen, und sie kochte mit den bequemen Brettern. Zwei Aecker waren verkauft, andere verpfändet, man zehrte sich auf, so lange Etwas da war. Cyprian redete sich noch ein, daß er freiwillig verkaufen wolle, während er täglich mehr dem Schicksal entgegen ging, von Haus und Hof gesetzt zu werden. Er gab die Gastwirthschaft nicht aus und bezahlte die Steuern dafür, ohne so viel einzunehmen als diese betrugen; er glaubte des künftigen Verkaufes wegen das Gewerbe, wenn auch nur nothdürftig aufrecht erhalten zu müssen. Mitunter bekam er noch ein Fäßchen Branntwein oder halbsauren Wein zu hohen Preisen geborgt, in der Regel aber war der Keller leer, und wenn ein Handwerksbursche, der ab der Straße durch die Dörfer zog, in der Sonne einkehrte, wurde Traudle zu dem Ochsenwirth geschickt, um von dort unter der Schürze verborgen das Verlangte zu holen, und Cyprian sagte dem Harrenden wie sich selbst verhöhnend: »Mein Keller ist ein bisle weit weg.«
Nach und nach ging Cyprian weiter und verkaufte was nicht niet- und nagelfest im Hause war: gestern verspeiste man einige Stühle, heute einen Tisch, morgen Gläser, Pfannen, Pferdegeschirr u.s.w. Oft mußte Traudle, meist aber Erdmuthe, wenn es Nacht war, vom Vater begleitet, kleinere Gegenstände und Bettstücke nach der Stadt tragen. Das waren schwere Gänge, der Vater jammerte allezeit und wünschte sich den Tod, und war er auch auf dem Heimwege nach der Einkehr im Wirthshause wohlgemuther, bei der geringsten Anregung konnte er über sein Schicksal weinen und ließ sich nur mit Mühe beruhigen.
Seltsamerweise, aber nicht ohne Grund, hatte Erdmuthe seit dem Zerfalle des Hauses lauter gute Tage, selbst die Mutter schalt sie selten und war oft freundlich gegen sie. Diese Frau war immer wieder heiter wenn zeitweilig Fülle in das Haus einzog. Erdmuthe empfand die ökonomische Auszehrung im Hause oft schwer und es war ihr, als müßte die Decke über ihr einstürzen; aber das Gefühl, daß sie nun liebreich gehegt und die Erste im Hause war, ließ sie manchmal wieder Alles vergessen.
An dem Tage, als von Obrigkeitswegen das goldglänzende Schild am Hause eingezogen und die Gant verkündet wurde, weinte Alles, Groß und Klein, und ließ sich den ganzen Tag nicht am Fenster und nicht auf der Gasse sehen, und zum Erstenmal hörte Erdmuthe, daß sie allein die Stütze und Hoffnung des Hauses sei. Am Abend erklärte ihr Traudle, was das zu bedeuten habe, und warnte sie, sich auch zu Grunde zu richten, sie könne doch den Anderen nicht helfen.
Schon bevor die Ganterklärung eingetreten war, hatte Erdmuthe sich dazu verstehen müssen, zur Nachtzeit viele Habseligkeiten aus dem Hause zu schaffen und bei Bekannten unterzubringen; jetzt, nach dem Ganterkenntniß, ging es im Hause erst recht an ein Ausrauben desselben, als wäre es ein fremdes und feindliches. Die Behörde hatte zwar aufgeschrieben was sich vorfand, aber es gab doch noch Manches bei Seite zu schaffen, und endlich wurden sogar auf dem Speicher die Böden ausgehoben und die Bretter verkauft. Cyprian hatte es klug dahin gebracht, daß sich die Gant in die Länge zog, und er schien nie glücklicher gelebt zu haben als eben jetzt, seine Gläubiger mußten ihn erhalten, er zehrte, wie man es nennt, von der Masse, er lebte fast wie ein Beamter von seiner Besoldung; aber auch dies nahm ein Ende und im Frühling, als Erdmuthe zwanzig Jahre alt wurde, mußte sie mit den Eltern und Geschwistern in eine kleine Leibgedingwohnung ziehen.
Cyprian wollte Traudle aus dem Dienst entlassen, aber auf die Bitten Erdmuthe's behielt er sie; er sprach es aus und zeigte es auch, daß er Erdmuthe zulieb Alles thue.
Man rieth Cyprian, er möge sich doch mit Gottfried in Hollmaringen aussöhnen und nachgeben; wenn man Feuer wolle, müsse man es in der Asche suchen; aber Cyprian wollte davon nichts wissen, er sagte, daß er über's Jahr in die neue Welt auswandere.
Der Ohm Gottfried von Hollmaringen kam einmal und ließ Erdmuthe zu sich in's Wirthshaus rufen. Cyprian stellte ihr jetzt frei, ob sie einen Mann besuchen wollte, der ihren Vater keines Wortes würdige und eigentlich an seinem Unglück Schuld sei, wobei er den Verlust, den er bei seinem Umzug gehabt, noch sehr vergrößerte. Erdmuthe verneinte, und nun kam Gottfried zu Cyprian in seine Stube; er schaute sich hin und her um und sagte zu Erdmuthe, ohne Cyprian zu grüßen, er habe kein Geheimniß vor dem Vater, und wolle sie nur fragen, ob sie zu ihm ziehen wolle, seine
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