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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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erkannte Erdmute trotz des großen weißen Tuches, mit dem sie ihr Gesicht fast verhüllt hatte und sagte:
    »So? Bist auch hiesig? Willst jetzt bei uns bleiben?«
    »Nein,« antwortete Erdmuthe und ging weiter, es kränkte sie, daß Bläsi ihr weder die Hand reichte noch eigentlich ein freundlich Wort sagte. Als sie die Treppe im Hause des Oheims Gottfried hinan ging, war es ihr, als müßten ihr die Kniee brechen, aber sie faßte sich, denn sie ahnte, daß sie sich ihr Vorhaben leichter gedacht als es war. Der Oheim Gottfried, der in Papieren lesend am Tische saß, stand nicht auf, aber er streckte ihr die Hand entgegen zum Willkomm und sagte:
    »Das ist brav, daß du doch zur Einsicht kommen bist! du bist bei uns so gut und besser aufgehoben als bei deinem Vater. Du mußt in diesen Tagen großjährig werden, halt, heut haben wir den zwölften Mai, gestern ist's gewesen wo du's geworden bist, du kannst jetzt mit dir machen was du willst.«
    »Ja, deswegen bin ich da und ich hab' Euch sagen wollen –«
    Erdmuthe konnte nicht ausreden, denn die Frau, die ebenfalls die Hand gereicht hatte, schnitt ihr das Wort ab indem sie sagte:
    »Du kannst hernach erzählen. Zuerst mußt was essen. Wärst ein' halbe Stund' früher kommen, hättest's gleich mithalten können. Rosel!« rief sie laut, ein schlankes Mädchen kam in die Stube, das nach Vorstellung der Mutter Erdmuthe herzlich bewillkommte, aber auch hier unterbrach die Mutter jedes weitere Reden und sagte: »Rosel, wärme schnell die Leberspatzen, die von heut Mittag überblieben sind, thu' noch einen Löffel Schmalz daran und schlag der Base ein paar Eier ein.«
    Erdmuthe wollte danken, aber man hörte nicht darauf und trotz der Ermüdung und des unleugbaren Hungers fühlte sie plötzlich eine Sättigung und es war ihr, als müßte sie auf und davon rennen. Diese zutrauliche, herzinnige Weise der Menschen, die sie bisher für Feinde und Unholde gehalten, dieses Entgegenkommen von Menschen, bei denen sie sich vergessen geglaubt, das Gefühl bei Verwandten zu sein, die jede Liebe und Güte als selbstverständliche Sache hinnehmen und dazu der Gedanke, daß sie mit einem Vorhaben gekommen, das ihnen entgegen war, alles Das preßte ihr die Kehle zusammen.
    Der Oheim raffte die Papiere zusammen und sagte, daß er in einer Stunde wiederkomme, er müsse in die Gemeinderathssitzung. Erdmuthe stand auf und grüßte demüthig, als er wegging, reden konnte sie nicht.
    Als die Rosel, von der die Mutter erzählte, daß sie in acht Tagen Hochzeit mache, das Essen brachte, wollte Erdmuthe durchaus nichts davon annehmen.
    Es giebt eine alte Sage, daß man von verführenden Geistern nicht Speise noch Trank genießen darf, sonst ist man in ihrem Bann. Erdmuthe kannte diese Sage und sie kam sich wie in einem Zaubrekreis vor; aber hier waren gute Geister und sie wollte nur nichts annehmen, weil sie dann bei der ausbrechenden Feindseligkeit undankbar war. Die Frau ließ indeß nicht nach und wiederholte ihr, sie müsse ihr verscheuchtes Wesen ablegen, sie sei hier unter Menschen, die es gut mit ihr meinen und staunend hörte Erdmuthe, daß man hier Alles von ihrem Leben wußte und erröthend hörte sie ihr Lob, daß sie eine so tüchtige Bäuerin geworden und sich nicht auch dem »Wirtheln« ergeben habe, das der schweren Arbeit entwöhne. Jetzt weinte Erdmuthe, die sonst nie Thränen vergoß, übermäßig; Alles, was sie heute erlebt, drängte sich plötzlich überquellend zusammen. Die Frau suchte sie mit den besten Worten zu beruhigen und die Rosel sagte, sie müsse ihre Kranzjungfer bei der Hochzeit sein. Erdmuthe erklärte, daß sie nur dem Oheim sagen könne, was ihr das Herz bedrücke.
    Als der Oheim Gottfried, der im Gemeinderath auch das Amt des Waisenpflegers hatte, zurückkam, öffnete er einen Schrank, nahm mehrere mit Stempeln versehene Papiere heraus und sagte: »Du wirst auch wissen wollen, wie es mit deinem Vermögen steht; das sind die Hypotheken, dreitausend vierhundert Gulden ist's gewesen und so ist's geblieben, dein Vater hat jedes Jahr, auch wie's ihm noch gut gangen ist, die Zinsen erhoben. Wenn du einen rechtschaffenen Mann kriegst, der was hat, so ist das ein guter Zuschuß, daß ihr gut hausen könnet.«
    »Ich denk' nicht daran, Vetter.«
    »Wird schon kommen.«
    »Nein, höret mich gut an, Vetter.«
    »Ja, ja, red' du nur.«
    »Schaut Vetter, ich bin ... ich soll.. ich will ... ja, ich soll mein Vermögen holen.«
    »So? Das glaub' ich, daß das dein Vater

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