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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Gedanken davon eingeflößt, aber Erdmuthe sagte:
    »Vater, das geht nicht, ich komm' viel besser durch, wenn ich bei der Wahrheit bleib'. Und was brauchen wir denn da läugnen und verhehlen? Es ist ja in der Ordnung, daß das Kind dem Vater folgt; da kann kein Mensch was davon loshauen.«
    Wenn der Vater den Blick zur Erde geheftet, gramvollen Antlitzes so dahin schritt, betrachtete ihn Erdmuthe oft mit stillem Mitleid und sie freute sich wieder, daß es ihr gegeben sei, Alles wieder gut zu machen, und sie gedachte mitten in ihrem praktischen Vorhaben der Märchen, wo die Kinder ausziehen, um das Lebenskraut für den kranken Vater zu holen, und mit Muth allerlei Fährlichkeiten bestehen.
    Als man Hollmaringen auf der breiten Ebene vor sich sah, und der Weg von der alten Hauptstraße nach dem Dorfe abbog, stand der Vater still und sagte, daß er wieder umkehre und in Seebrunn im Rößle, dem ersten Hause des Dorfes gegen Hollmaringen, auf die Rückkehr Erdmuthes warten wolle. »Du weißt alles,« sagte er, »und geh in Gottes Namen.« Er setzte sich an den Wegrain und preßte die gefalteten Hände auf den Schlehdornstock zwischen seinen Knieen. Als er nach geraumer Zeit wieder aufschaute, sah er Erdmuthe dem Dorfe zugehen, sie wendete sich nicht mehr um und schritt ruhig fürbaß, und plötzlich wurde dem Vater schwer bange: dort ging sein Kind, und was es unternahm, entschied für ihn über Leben und Tod; wenn die Verwandten das Mädchen überredeten und gleich zurückbehielten, war er verloren – es war jetzt großjährig und konnte über sich schalten wie es wollte. Wankenden Schrittes und oft stille stehend, kehrte Cyprian um, die Welt war frühlingsgrün, voll Sonne und Lerchensang, aber der von schweren Sorgen Bedrückte ist in ihr wie in einem Kerker, Kummer und Qual durchschneiden jeden Ausblick wie Eisenstäbe am Kerkerfenster.
    Erdmuthe ging indeß ihres Weges wie in einer Verzückung, die Menschen auf den Feldern und auf dem Wege kannten sie nicht, aber jeder Baum, jede Hecke, jeder Graben grüßte sie mit tausend halbvergessenen Kindeserinnerungen, und sie selbst schaute umher mit großen, verwundert dreinblickenden Augen, wie ein Kind, das aus dem Schlaf erwacht; die Lerchen jubelten, die Bäume blühten, die Sonne schien so hell, und im Herzen des Mädchens lebte, ihr selbst unbewußt, der beglückende Gedanke, daß sie einer rechtschaffenen That entgegen ging, und ihr ganzes Sein war von Freude übervoll. Sie ging dahin, als würde sie von einem unsichtbaren Wesen an der Hand geführt, und plötzlich stand sie still und eine tiefe Trauer schlich sich in ihr Herz, daß sie nicht hier bleiben sollte, wo sie so ganz, wo sie allein daheim war. »Und du bleibst ewig da,« sagte sie fast laut vor sich hin, sie wußte nicht woher es kam. Da sah sie den von einem Buchenzaune umfriedeten Gottesacker. Jetzt wußte sie was hier so wunderbar zu ihr sprach; sie ging in den Friedhof, sie las die Inschriften vieler Kreuze, und es wurde ihr ganz wirr von dem endlosen Sterben der Menschen, das hier von Schritt zu Schritt zu ihr sprach. Da las sie im Tiefsten erschreckt auf einem halb eingesunkenen Kreuz ihren eigenen Namen: es war das Grab ihrer Mutter, sie sank vor ihm nieder und lag lange, das Haupt in das frische Gras gedrückt. Endlich richtete sie sich starren Blickes auf, sie konnte nicht weinen, und doch war ihr ganzes Herz voll tiefer Trauer, sie legte die Hand auf das Grab, als faßte sie die Hand der Mutter und schaute in die weite Welt. Die Lerchen über ihr jubelten, ein Buchfink schmetterte seinen hellen Sang von einer Trauerweide, deren junges Laub im Sonnenschein glitzerte, ein Säuseln zog durch die einsamen Föhren, die da und dort standen und Schmetterlinge flogen hin und her. – Sie raufte einige Grashalme und wilden Thymian vom Grabe, steckte sie in ihren Busen und schritt fest davon. Durch das Dorf ging sie ohne umzuschauen und ohne Jemand zu grüßen. Mittag war vorüber und die Leute gingen wieder ins Feld; nur vor ihrem elterlichen Hause hemmte sie ihren Schritt und sah lange an dem Hause hinauf und auf die Steinbank, wo sie als Kind so oft gesessen. Es war Alles im alten Stand, und nur des Nachbars Klaus, der an Krücken ging, war in den zehn Jahren ein großer Bursche geworden und strickte eine wollene Jacke auf der Steinbank, und in dem Garten war eine neue Scheune gebaut. Eben als Erdmuthe den Klaus grüßen wollte, trat Bläsi mit einem Pferdekummet auf der Schulter aus der Hausthüre; er

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