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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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fast gar nicht anzustrengen, und Nazi lenkte den Pflug so leicht wie ein Fährmann das Ruder eines mit dem Strome schwimmenden Kahnes. Weit ringsum war Alles so hell, und bald da, bald dort sah man Menschen und Vieh fröhlich arbeiten.
    Als es in Horb zur Frühmesse läutete, hielt Ivo an. Das Pferd stand still, der Pflug ruhte in der Furche, Ivo und Nazi falteten die Hände; es war fast, als ob der Falb auch mit bete, denn er schwenkte den Kopf mehrmals auf und nieder. Darauf zogen sie noch die Furche bis ans Ende, setzten sich an den Rain und verzehrten ein Stück Brod.
    »Wenn wir nun heut einen Schatz finden thäten,« sagte Ivo, »weißt du, wie selber Bauer, von dem der Emmerenz ihr Mutter erzählt hat, dem ein ganzer Hafen voll goldener Karlin beim Pflügen unterm Fuß gelegen ist; da thät ich der Emmerenz ein neu Kleid kaufen und ihrem Vater die Schuld von seinem Häusle bezahlen, und was thätst du?«
    »Nichts,« sagte Nazi, »ich brauch' kein Geld.«
    Nun ging es wieder tapfer zur Arbeit, die heute so leicht war, daß Nazi zu singen begann, aber nichts vom Pflügen und nichts vom Säen und überhaupt nichts von der Feldarbeit. Er sang:
     
    Wir sind der Geschwister drei,
    Die Lise, die Käthi, die Mei,
    Die jüngste, die ließ den Knaben herein.
     
    Sie stellt' ihn wohl hinter die Thür,
    Bis Vater und Mutter im Bette war –
    Da zog sie ihn wieder herfür.
     
    Sie führt' ihn wohl oben in's Haus,
    Sie führt' ihn wohl in ein Zimmer hinein
    Und warf ihn zum Fenster hinaus.
     
    Er fiel wohl auf einen Stein,
    Er brach sich das Herz im Leibe entzwei,
    Dazu auch ein Achselbein.
     
    Er raffte sich wiederum heim;
    Ach, Mutter! ich bin es gefallen
    Auf einen harten Stein.
     
    Mein Sohne, und das geschieht dir recht,
    Wärst du es bei Tage nach Hause,
    Wie ein anderer Bauernknecht.
     
    Er legt sich wohl oben auf's Bett,
    Und als das Glöcklein zwölfe schlägt,
    Da hat ihn der Tod gestreckt.
     
    Jetzt schlug Nazi ein Schnippchen, setzte den Hut fester und sang, wohl in Erinnerung an die Vergangenheit:
     
    Ei, liedricher Knecht!
    Und zum Saufen bist recht,
    Und zum Tanzen bist g'macht,
    Und kein Geld hast im Sack.
     
    Wenn i au kei Geld han,
    Was geht's andere Leut an?
    D'Frau Wirthin schenkt ein,
    Wenn i austrunken han.
     
    Und wenn i's net zahl,
    So schreibt se's an d'Thür,
    Daß e jeder kann sehen,
    Daß i liederich bin.
     
    Jo, liederich bin i,
    Kein Mensch und der mag mi,
    Han kein Haus und kein Feld
    Und kein Theil an der Welt.
     
    Plötzlich hielt: Nazi inne und schrie dem Pferde zu: »Hio!« Man konnte nicht wissen, ob er vergessen, daß Ivo bei ihm war, oder ob er seiner nicht achtete. So viel aber ist gewiß, daß derartige Lieder auf ein Dorfkind nicht, wie man glauben sollte, einen verderblichen Einfluß ausüben.
    In frühester Jugend hörte Ivo besonders in Liedern allerlei Dinge bei ihren unverhüllten Benennungen, aber die Feinheit seines Gemüths ward dadurch keineswegs befleckt, vielmehr machte gerade das Offene und Unverhüllte derselben sie spurlos abgleiten. In Nazi schienen heute allerlei Erinnerungen aufzusteigen, und nach einer längeren Pause sang er halb laut:
     
    Ich leb schon vierzig Jahre,
    Hab auch schon graue Haare,
    Und wenn ich halt kein Weib bekomm,
    Ist Feuer auf dem Dach;
    Und wenn ich halt kein Weib bekomm,
    Da spring ich in den Bach.
     
    Gleich darauf sang er wieder:
     
    Ach Schatz, wo fehlt es dir?
    Daß du nicht red'st mit mir?
    Hast du einen anderweiten,
    Der dir thut die Zeit vertreiben,
    Der dir ja lieber ist?
     
    Und wenn er dir ja lieber ist,
    So reis' ich weg von dir,
    Reis' ich auf fremde Straßen,
    Thu mein' Schatz einem Andern lassen
    Und schreib ihm einen Brief;
     
    Laß dich grüßen,
    Du mußt wissen,
    Daß ich ein Reiter bin.
    Thu ich reisen fremde Straßen,
    Thu mein'n Schatz ein'm andern lassen,
    O wie hart ist das,
     
    O wie leicht ist das,
    Wenn man kein'n Schatz nicht hat,
    Kann man schlafen ohne Sorgen
    Von dem Abend bis zum Morgen,
    O wie leicht ist das.
     
    Es hätt' auch wohl schöne Städt',
    Die ich gewandret hätt',
    In dem spanischen Niederland,
    Und wo ich auch wandern thät,
    Ich niemals mein Schätzichen fand.
     
    Wer hat das Liedlein gemacht und erdacht?
    Es hat's gemacht, es hat's erdacht
    Ein schöner junger Knab',
    Seiner Herzlieben zu guter Nacht.
     
    Wie Sehnsuchtsblicke, die in endloser Ferne schweifen, so zogen die Töne dahin, weit über das Feld, und sie verklangen, und wer weiß, wem sie gegolten.
    Sollte der alte

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