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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Knecht noch eine so tiefe Liebe in der Seele nähren?
    Es läutete eilf Uhr, und nun wurde wiederum angehalten und gebetet; das Pferd wurde vom Pfluge gespannt und ihm ein Bündel Klee vorgeworfen. Ivo und Nazi setzten sich auf den Rain neben dem Kleeacker und harrten auf Gretle, die das Essen bringen sollte; es ließ auch nicht lange auf sich warten. Aus einer Schüssel aßen nun die beiden, und es schmeckte ihnen wohl, denn sie hatten tüchtig gearbeitet; sie aßen so rein aus, daß das Gretle sagte:
    »Es gibt morgen gut Wetter, ihr machet sauber G'schirr.«
    »Ja,« sagte Nazi, die Schüssel umkehrend, »da versauft kein' Wanz' mehr drin.«
    Nach dem Essen legten sich die beiden ein wenig nieder, denn:
     
    Es ist kein'm Thierle zu vergessen,
    Es ruht ein Stündle nach dem Essen.
     
    Ivo lag an dem Raine ausgestreckt, und auf das tausendstimmige Zirpen im Kleeacker hinhorchend, sagte er, indem er die Augen schloß:
    »Es ist just, wie wenn der ganz' Kleeacker leben und die Blumen singen thäten ... und droben die Lerch' ... und die Grasmück« – er beendete seine Rede nicht, denn er war eingeschlafen. Nazi betrachtete ihn lange mit Wohlgefallen, dann holte er einige Stäbe herbei, steckte sie behutsam in den Boden und breitete das Grastuch, in welches der Klee eingebunden war, darüber aus, so daß der Knabe im Schatten schlief; leise stand er dann auf, spannte das Pferd wieder an und fuhr lautlos in seiner Arbeit fort.
    Man wußte nicht, ob er die Lieder von seinem Munde zurückdrängte, oder ob ein tiefer Ernst ihn so stille machte. Der Falb war sehr folgsam, er zog von selbst die Furchen ganz schnurgerade, und es bedurfte nur eines leisen Rucks am Zügel und keines lauten Worts, um ihn stets in gleichmäßiger Richtung zu erhalten.
    Die Sonne war schon im Hinabsteigen, als Ivo erwachte. Er riß das über ihm aufgebaute Zelt schnell ein und sah sich verwundert um, er wußte eine Zeitlang nicht, wo er war; als er den Nazi erblickte, sprang er mit Freudenjubel auf ihn zu. Er half nun die Arbeit vollenden, und es that ihm fast wehe, daß der Nazi auch ohne ihn hatte pflügen können, denn er that sich was darauf zu gut, bei der Arbeit helfen zu müssen.
    Es war Abend geworden, als man den Pflug abspannte, um mit dem ledigen Pferde heimzukehren. Nazi hob den Ivo auf das Pferd und folgte hinterdrein den Berg hinan; plötzlich erinnerte er sich, daß er sein Messer beim Pfluge hatte liegen lassen, er kehrte um, und nun stand er unten und schaute hinauf nach der scheidenden Sonne, die zwischen den zwei von schwarzen Tannen bekränzten Bergen unterging. Wie ein aus lauter Licht und fließendem Gold erbauter Chor einer Kirche sah Himmel und Erde aus, es war, als ob die ganze Ewigkeit ihre Heiligthümer aufgeschlossen hätte; lange Glutstreifen flatterten ringsum vom brennendsten Flammenpurpur bis zum weichsten, kaum gehauchten Roth, die kleinen Wölkchen glichen lichten Engelsköpfen, und mitten drin stand eine große Wolke in feierlicher Stille, gleich einem großen Altar; das Fußgestell war blau, und drüber brannte eine Flammendecke; es war, als müßte man sich plötzlich da hinaufschwingen und verzehren, verglühen, und es war wiederum, als müßte jetzt plötzlich diese Wolke sich zertheilen und heraustreten der Herr in seiner Glorie und verkünden das tausendjährige Reich des Heils und des Friedens.
    Droben am Bergesrande ritt Ivo auf dem Pferde, und es war, als ob das Thier, das, an die Erde gebannt heute ihre Furchen aufwühlte, jetzt plötzlich hinweggehoben von der Scholle in der Luft schwebe und mit dem Kinde hinausgezogen werde in den Himmel; man sah die Füße nur sich sanft in der Luft heben, Ivo streckte die Arme aus, als winke ihm ein Engel. Zwei Tauben flogen hoch in den Lüften der Heimath zu, sie flogen hoch, sie flogen weit – was ist hier weit, und was ist hoch? – ihre Flügel regten sich nicht, sie schwebten dahin, wie von einer unendlichen Macht gezogen, und verschwanden in den Gluthen.
    Wer verkündet all die Himmelspracht, wo das Herz, durchglüht vom heiligen Geiste des Alls, sich ausdehnt bis dahin, wo keine Schranke mehr, wo man aufgegangen, in's Unendliche, doch beseligt, befriedigt, in sich, in Gott, die klopfende Brust hält.
    So stand Nazi da, alle Erdenpein und alle Begierde war von ihm genommen. In die Seele dieses armen, einfältigen Knechtes fiel ein Strahl aus der unerschöpflichen Glorie Gottes, und er stand höher als alle die Großen auf den Thronen des Geistes und der

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