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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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der Hand hielt er den von Messingdraht umwundenen Griff eines Schlehdornstockes.
    Ivo sah wohl, daß das ein Metzger war. Der Vater stand bei ihm und sagte:
    »Um acht Gulden geb' ich's, es ist aber schad, wenn es gemetzget wird, es hat so mächtige Stotzen 3 .«
    »Sieben Gulden geb' ich!«
    Der Vater schüttelte den Kopf.
    »Nun meinetwegen noch ein Kopfstück 4 .«
    Ivo hatte dieß kaum vernommen, da wurde ihm Alles klar. Er stellte sein Schulzeug schnell an die Wand, sprang in den Stall, fiel dem Kälbchen um den Hals, und es mit seinen Armen fest umklammernd, rief er: »Nein, guts Muckele, sie dürfen dir nicht in deinen lieben Hals 'nein stechen,« er weinte laut und konnte kaum noch die Worte hervorbringen: »Vater, Vater! Ihr habt mir's ja versprochen.«
    Das Kälbchen schrie laut, gleich als ahnte es, was vorging, und die Kuh wendete den Kopf und brummte, ohne das Maul zu öffnen.
    Valentin nahm in Verlegenheit seine Mütze ab, schaute hinein und setzte sie wieder auf. Mit einem lächelnden Blicke auf Ivo sagte er endlich: »Nun, es soll so bleiben, ich mag's dem Kinde nicht zuleide thun. Ivo, du kannst es aufziehen, aber du mußt ihm auch Futter schaffen.« Der Metzger ging fort, sein Hund bellte ihm voraus, gleich als wollte er den innern Zorn seines Herrn laut werden lassen. Er fuhr dann unter die Hühner und Gänse Valentins und jagte sie auseinander, gerade wie ein Bedienter an den Untergebenen von seines Herrn Feinden seinen Muthwillen ausläßt.
    Ivo war nun glücklich mit dem Kälbchen, er hatte es vom Tode gerettet; aber es schnitt ihm doch tief durch die junge Seele, daß sein Vater ihm sein Versprechen hatte brechen wollen. Er vergaß dieß indes bald wieder, und mit großer Freude führte er in seinen Freistunden das Muckele hinaus an einen Rain und ließ es weiden.
    Eines Nachmittags stand Ivo neben seinem Muckele an dem Wiesenrain in der Hohlgasse, er hielt das Seil und ließ das Kälbchen fressen. Mit heller Stimme sang er ein Lied, das ihn der Nazi gelehrt. Die Töne klangen wie von Sehnsucht und Heimweh durchzittert. Er sang:
     
    Dort oben, dort oben
    An der himmlischen Thür,
    Und da steht eine arme Seele,
    Schaut traurig herfür.
     
    Arme Seele mein, arme Seele mein,
    Komm zu mir herein;
    Und da werden deine Kleider
    Ja alle so rein.
     
    So rein und so weiß,
    So weiß als wie der Schnee,
    Und so wollen wir mit einander
    In das Himmelreich eingehn.
     
    In das Himmelreich, in das Himmelreich,
    In das himmlische Paradies,
    Wo Gott Vater, wo Gott Sohne,
    Wo Gott heiliger Geist ist.
     
    Kaum hatte das Lied geendet, da sah er die Emmerenz von der Leimengrube herkommen. Sie trieb mit einem dürren Tannenzweige junge Entchen vor sich her, bei Ivo hielt sie an und ließ die Entchen sich im Graben tummeln.
    »Ich komm' von der Leimengrub,« erzählte sie, »ich hab' viel Prast gehabt, bis ich meine sechs Wusele 5 , guck da, vier graue und zwei weiße, aus dem Wasser 'rausgelockt hab'. Jetzt sind sie acht Tag' alt. Denk einmal, mein' Mutter hat die Eier einer Henn' untergelegt, und jetzt will sie die Henn' nicht annehmen, sie läßt sie laufen und kümmert sich gar nicht um sie.«
    »Das sind jetzt Waisenkinder, und da mußt du ihr' Mutter sein,« sagte Ivo.
    »Ach, und wie barmherzig können die einen ansehen, weißt du, nur so von der Seite.« Emmerenz ahmte die Thierchen nach; den Kopf auf die Seite legend und von unten aufschauend, blickte sie Ivo gar lieblich an, der wiederum sagte:.
    »Guck, die Thierle können doch kein' Augenblick ruhig sein, das pfludert und pfladert in einem fort; ich thät' den Schwindel kriegen, wenn ich so wär'.«
    »Ich komm' nicht draus,« sagte Emmerenz mit sinnendem Blicke, »woher denn die Geitle wissen, daß sie in's Wasser können; wenn sie noch ein' Geit ausgebrütet hätt', die thät's ihnen weisen, aber die Henn' hat sie ja laufen lassen, und wie sie nur haben fortkratteln können, patschen sie wick wack, von einem Fuß auf den andern, 'naus in die Leimengrub.«
    Hier standen die Gedanken zweier jungen Seelen vor der geheimen Thüre der Natur. Eine Weile herrschte Stille, dann aber sagte Ivo:
    »Die Geitle halten alle zusammen und gehen nicht voneinander; mein' Mutter hat gesagt, so müssen's auch die Menschen machen, Geschwister gehören zusammen, und wenn die Gluck ruft, kommen alle Bibbele 6 gesprungen.«
    »Ja, die garstigen Bibbele, die großen Dinger schämen sich nicht und fressen meinen Geitle alles weg, wenn ich ihnen was bring'. Wenn's nur auch

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