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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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einmal wieder rechtschaffen regnen thät, daß meine Geitle auch wachsen thäten. Nachts, da thu ich sie Allemal in einen Tratten 7 , man darf sie nicht recht anrühren, so weich sind sie, und da huschen sie in ihrem Bettle zusammen, wie ich zu meiner Ahne 8 ; und mein' Ahne hat gesagt, wenn sie einmal groß sind, da rupft sie sie und macht mir ein Kissen daraus.«
    So plauderte Emmerenz. Ivo fing aber plötzlich an zu singen:
     
    Da droben auf'm Bergle,
    Do steht e weißer Schimmel,
    Und die brave Büeble
    Kommet alle in Himmel.
     
    Emmerenz sang dagegen:
     
    Und die brave Büeble
    Kommet et allein drein,
    Und die brave Mädle
    Müsset au dabei sein.
     
    Ivo sang wieder:
     
    Da droben auf'm Bergle,
    Do steht e schwarzer Mann,
    Er hot mi wolle fresse,
    Hot's Maul aufgethan.
     
    Bald begann nun eins, bald das andere der Kinder, und sie sangen:
     
    Schätzle, schau schau!
    Jetzt kommt der Wauwau,
    Hot e Ränzle auf'm Buckel
    Und e Pfeifle im Maul.
     
    * * *
     
    Hörst et, wie's Vögele singt,
    Hörst et, wie's pfeift?
    In dem Wald, aus dem Wald:
    Schätzle, wo bleibst?
     
    * * *
     
    Fahr mer et über mein Aeckerle,
    Fahr mer et über mein Wies',
    Oder i prügel di wägerle 9 ,
    Oder i prügel di g'wiß.
     
    * * *
     
    O Appele von Kappele,
    Was machen deine Gäns'?
    Sie pfluderet, sie pfladeret
    Mit ihre kurze Schwänz'.
     
    So sangen die Kinder noch mancherlei, eins schien das andere an Liederreichtum überbieten zu wollen. Endlich sagte Ivo: »Treib du jetzt deine Geitle heim, i gang au bald.« Ein gewisses Schamgefühl hielt ihn ab, mit Emmerenz zugleich durch das Dorf heimzukehren; er war sich bloß der Scheu vor seinen neckenden Kameraden bewußt.
    Nachdem Emmerenz eine Weile fort war, machte sich Ivo mit seinem Muckele auf den Heimweg.
    Ivo, der, mit einer besonders feinen Empfindung begabt, auf Alles sein Gefühl übertrug, sah mit Schmerz, daß die Allgäuerin, seitdem ihr Junges abgewöhnt war, sich gar nicht mehr um dasselbe bekümmerte. Er hatte noch nicht gewußt, daß die Thiere nur so lange mit liebender Sorgfalt an ihren Jungen hängen, als diese in unmittelbarer Abhängigkeit und in natürlichem Zusammenhange mit ihnen stehen. Nur so lange die jungen Vögel noch nicht recht fliegen und ihre Nahrung holen können, nur so lange ein Junges an der Mutter saugt, dauert das elterliche Verhältnis. Aus dem natürlichen Zusammenhange herausgerissen, oder ihm entwachsen, kennen die Eltern, und besonders die Hausthiere, die Jungen nicht mehr. Der Mensch allein, der zu seinem Kinde nicht bloß in leiblichem, sondern auch in geistigem Zusammenhange steht, nur der Mensch allein erhält ewige Liebe für seine Sprößlinge.
     
Fußnoten
     
    1 Heimweh.
     
    2 Schwarzgestriemt.
     
    3 Füße.
     
    4 15 Kreuzer.
     
    5 Eigentlich nennt man bloß junge Gänse so, junge Entchen aber heißen Geitle, Emmerenz gebrauchte aber abwechselnd beide Ausdrücke.
     
    6 Hühner.
     
    7 Korb.
     
    8 Großmutter.
     
    9 Wahrlich.
     
     
5.
Feldleben.
    Nicht nur zu Hause bei Mensch und Vieh, sondern auch draußen bei der stillwachsenden Saat und unter den rauschenden Bäumen hatte Ivo ein reich angeregtes Leben; die ganze Welt mit ihren Herrlichkeiten und stillen Freuden zog in die offenen Paradiesespforten dieser jungen Seele ein.
    Wenn wir durch das ganze Leben so fortfahren könnten, an Wachstum und Fülle zuzunehmen wie in der Kindheit, ein himmlisch gesegnetes Dasein wäre unser Loos; aber das All dringt plötzlich in uns ein, und wir haben unser ganzes Leben lang nur damit zu thun, es zu zerlegen, zu enträtseln und zu erklären.
    Während der großen Vacanz, zur Zeit der Ernte und der Heberet 1 , war Ivo fast immer mit Nazi im Felde. Da draußen lebte er erst recht und doppelt auf, und wenn er den Blick aufwärts richtete, so war das Blau seiner Augen wie ein Tropfen aus der Himmelsbläue droben, die sich so still und klar über die Erde und die emsigen Menschen ausbreitete, und es war, als ob dieses leibhaftige Stückchen in einen Menschen versenkten Himmels wieder aufstrebe zu seinem unendlichen Urquell.
    So etwas wenigstens dachte einst Nazi, als er den aufschauenden Ivo am Kinn faßte und ihn inbrünstig auf die Augen küßte. Gleich darauf aber schämte er sich dieser Zärtlichkeit und neckte und schlug im Scherze den Ivo.
    Wenn die Kühe angespannt wurden, war Ivo immer zur Hand, er legte der Allgäuerin, die nun auch zum Felddienste angehalten wurde, das Polster zwischen die Hörner; es freute ihn, daß das

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