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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Schläge endlich hinaustrieb.
    »Wo ist der Geigerlex?« hieß es von allen Seiten.
    »Er ist im Bett verbrannt,« berichteten die Einen.
    »Er ist entflohen,« berichteten Andere. Niemand wußte Sicheres.
    Er hatte weder Kind noch Verwandte, und doch trauerte Alles um ihn, und die aus den Nachbardörfern gekommen waren, schalten die Einheimischen, daß sie nicht vor Allem über das Loos des Unglücklichen sich Gewißheit verschafft hatten. Bald hieß es, man habe ihn beim Schmied Urban in der Scheune gesehen, bald wieder, er sitze droben in der Kirche und heule und jammere; das sei das Erstemal, daß er ohne Geige und nur zum Beten dorthin gekommen sei; – aber man fand ihn nicht da, und fand ihn nicht dort, und nun hieß es wieder, er sei in dem Hause verbrannt, man habe sein Winseln und Klagen vernommen, aber es sei zu spät gewesen ihn zu retten, denn schon schlug die Flamme zum Dach hinaus und spritzte das Glas der Fensterscheiben bis an die Häuser auf der andern Seite der Straße.
    Als es mälig zu dämmern begann, waren die angrenzenden Gebäude gerettet. Man ließ nun das Feuer auf seiner ursprünglichen Stätte gewähren, Alles schickte sich zur Heimkehr an.
    Da kam vom Berg herab, just wie aus dem Morgenroth heraus, ein seltsamer Aufzug. Auf einem zweirädrigen Karren, an den zwei Ochsen gespannt waren, saß eine hagere Gestalt, nur mit dem Hemd angethan, und halb mit einer Pferdedecke zugedeckt; der Morgenwind spielte in den langen weißen Locken des Alten, dessen lustiges Gesicht von einem kurzen struppigen und schneeweißen Bart eingerahmt war. In den Händen hielt er Geige und Fiedelbogen. Es war der Geigerlex. Junge Bursche hatten ihn am Saum des Waldes gefunden, dort wo ihn die Fahrenden im raschen Fluge bei der Fahrt fast als eine Geistererscheinung gesehen, dort stand er nur mit dem Hemde angethan, und hielt seine Geige mit beiden Armen an die Brust gedrückt.
    Als er sich jetzt dem Dorf nahte, nahm er Geige und Fiedelbogen auf und spielte seinen Lieblingswalzer nach dem bekannten Liede: Heut bin ich wieder kreuzwohlauf u.s.w.
    Alles schaute nach dem seltsamen Mann und grüßte ihn, wie wenn er von den Verstorbenen wieder erstanden wäre.
    »Gebt mir was zu trinken!« rief er den Ersten zu, die ihm die Hand reichten – »ich hab' so einen mächtigen Durst.«
    Man brachte ihm ein Glas Wasser. »Pfui!« rief der Alte, »das wäre eine Sünde, so einen prächtigen Durst, wie ich habe, mit Wasser zu löschen – Wein her! Oder hat der verfluchte rothe Hahn auch meinen Wein ausgesoffen?«
    Und wieder fing er an, lustig zu geigen, bis man vor der Brandstätte ankam.
    »Das sieht ja aus wie der Tanzboden den Tag nach der Kirchweih,« sagte er endlich, stieg ab und ging in des Nachbars Haus.
    Alles drängte sich zu dem Alten und umringte ihn mit Trostworten und mit dem Versprechen, ihm alle Hülfe zum Wiederaufbau des Hauses zu leisten.
    »Nein, nein,« beschwichtigte er, »es ist recht so, mir gehört kein Haus, ich gehöre zum Spatzengeschlecht, das baut sich kein Nest und hat kein eigenes und huscht nur manchmal ein bei den Pfahlbürgern, den Schwalben. Für ein paar Jahre, die ich noch Urlaub habe, bis ich in unseres Herrgotts Hofkapelle oder in die Regimentsmusik bei seinen Leibgarden-Engeln eingereiht werde, finde ich schon überall Quartier. Jetzt kann ich wieder auf einen Baum steigen und zur Welt hinunter rufen: von dir da unten ist nichts mein! – Es war doch Unrecht, daß ich ein Eigenthum gehabt habe, außer meiner herzliebsten Frau Figeline.«
    Es ließ sich dem seltsamen Mann nichts einwenden, und die Auswärtigen kehrten heim mit dem beruhigenden Gefühl, daß der Geigerlex noch da sei. Er gehörte nothwendig in die ganze Gegend, – sie wäre verschändet gewesen, wenn er fehlte, fast wie wenn man die weithin sichtbare Linde auf der Landecker Höhe unversehens über Nacht niedergeworfen hätte.
    Der alte Geigerlex freute sich gar sonderlich, als ihm der reiche Schmied Caspar einen alten Rock schenkte, der Kehreiner Joseph ein Paar Hosen, und Andere anderes. »Jetzt trage ich das ganze Dorf auf dem Leib,« sagte er, und gab jedem Kleidungsstück den Namen des Gebers. »So ein Rock, den Einem ein Anderer vorher lind getragen hat, sitzt gar geschmeidig, man steckt in einer fremden Menschenhaut. Mir war's allemal wind und weh, wenn ich einen neuen Rock bekommen hab', und Ihr wißt, ich bin allemal in die Kirche gegangen und hab' die Aermel in das herabtropfende Wachs von den heiligen Kerzen

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