Schwarzwaelder Dorfgeschichten
verputzt und wenigstens ein Eisengitter abgethan. Gottfried gab Erdmuthe Recht, daß er so besser auf die Straße sehen könne.
Ein Brief an Gottfried aus der neuen Welt von Cyprian, vollendete noch im zweiten Sommer die Sühne. Cyprian klagte bitterlich um das verlorene Kind, betheuerte seine Unschuld und zwar, wie er oft wiederholte, im Angesicht des Todes. Er mußte im Innersten zerbrochen sein, denn er bat Gottfried um Verzeihung für all die Unbill, die er ihm angethan, und immer wieder sprach er von seinem nahen Tode. Gottfried schrieb selbst einige Worte zu dem Brief Erdmuthe's, worin sie alles Geschehene erzählte. Es ist aber nicht bekannt worden, ob der Brief Cyprian noch am Leben traf.
Am Wegweiser unter dem Apfelbaum errichtete Bläsi eine Steinbank und ließ den Namen Erdmuthe darauf eingraben, und an sommerlichen Sonntagsnachmittagen erschallt es allzeit hier von Lachen und Singen der jungen fröhlichen Welt.
IV.
Der Geigerlex.
Es summt und schwirrt in der mitternächtigen Luft. Horch! rasche Rossestritte aus der Ferne, sie kommen näher! Hei! da springt ein Reiter auf sattellosem Pferd daher und ruft: Feuerjo! Feuerjo! Hülfe! Feuerjo! – Er reitet gerade der Kirche zu und bald klingt es vom Thurme, es läutet Sturm.
Wie schwer ist's, mitten in der Erntezeit sich aus dem besten Schlaf zu erheben; die Menschen können nicht aufkommen, sie liegen fast wie die Halme draußen im Feld, die sie mit emsiger Hand geschnitten. Aber es muß sein. Die Burschen, die Pferde im Stalle haben, sind am flinksten; Jeder will den Preis gewinnen, der seit alten Zeiten darauf gesetzt ist, wer am ersten mit angeschirrtem Gespann sich am Spritzenhäuschen einfindet. Da und dort erscheint Licht in den Stuben, öffnet sich ein Fenster, Thüren gehen auf und die Mannen ziehen eilig erst auf der Straße die Jacken an. Als man am Rathhaus versammelt ist, heißt es allgemein: »Wo brennt's?« – »In Eibingen!« – Frag' und Antwort war kaum nöthig, denn dort hinter dem dunkeln Tannenwald stand der ganze Himmel angeglüht, still gleich dem Abendroth, und nur bisweilen schoß ein Sprühregen von Funken empor, wie wenn ein mächtiger Luftzug durch einen Hochofen geht.
Die Nacht ist so still und lau, die Sterne glitzern so ruhig auf die Erde nieder, sie kümmern sich wohl nichts darum, ob ein Menschenkind da unten verkommt oder vergeht. –
Die Spritze ist angespannt, die Feuereimer sind aufgereiht, zwei Fackeln sind entzündet, die Fackelträger stehen bereits hüben und drüben, und halten sich an dem Messingspund; wer nur noch einen Griff, eine Handbreit Platz gewinnen kann, um zu stehen und zu fassen, schwingt sich hinauf, man sieht kaum mehr ein Stückchen von der rothangestrichenen Spritze.
»Noch ein Gespann vor; zwei Pferde können nicht Alles ziehen!«
»Thut die Fackeln weg!«
»Nein, es ist alter Brauch!«
»Fahrt zu, in Gottes Namen!«
So scholl die laute Rede hin und her.
Jetzt rollt das schwere Gefährt das Dorf hinaus an den schlafenden Feldern und Wiesen vorbei. Die Obstbäume am Wege mit ihren Stützen tanzen lustig vorüber im flackernden Licht, und jetzt dröhnt es durch den Wald; von Licht und Lärm geweckt erwachen die Vögel aus ihrem Schlummer und fliegen scheu umher, und können sich kaum mehr zurückfinden in's warme Nest. Jetzt endet der Wald, da drunten im Thal liegt das Dorf tageshell, und es ist ein Schreien und Sturmgeläute, als ob die Flamme dort Stimme gewonnen hätte.
Seht! Steht nicht dort am Waldesrand eine weiße Geistergestalt, und hält etwas Dunkles an der Brust? Vernehmt ihr nicht einen Laut, einen schrillen Saitenklang? Die Räder rasseln, man kann nichts Deutliches vernehmen – vorbei, eilt, rettet!
Da kommen Leute aus dem Dorfe, die ihre Habe flüchten, Kinder in bloßen Hemden mit nackten Füßen, sie tragen Betten, Zinn- und Kupfergeschirr. Ist's denn so weit, oder hat ein grauser Schreck Alles ergriffen?
»Wo brennt's«
»Beim Geigerlex .«
Und rascher trieb der Fuhrmann die Pferde, und ein Jeder reckte sich, um doppelt zu helfen.
Als man sich der Brandstätte nahte, sah man bald, das brennende Haus war nicht mehr zu retten; alle Wasserstrahle waren nur auf die angebauten Häuser gerichtet, um diese vor den gierig leckenden Flammen zu wahren.
Man war eben damit beschäftigt, ein Pferd, zwei Kühe und ein Rind aus dem Stall zu retten; scheu gemacht durch das Feuer, wollten die Thiere nicht vom Platz, bis man ihnen die Augen verband und sie so durch
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