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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Erntezeit hörte das Bedrängen der Arbeit nicht mehr auf. Es ging an's neue Einbauen der kaum befreiten Aecker. Männer und Frauen hielten sich an verschiedene Arbeit, diese mußten Hanf jäten, den Samen ausklopfen, spreiten und im Weiher einweichen und dazwischen die Ernte unter dem Boden halten, Kartoffeln und Rüben einthun, und der hundertfältigen kleinen Thätigkeit obliegen, die ein ausgebreitetes Feldgeschäft mit sich bringt. Bläsi hatte meist mit dem Einsäen zu thun und kam müde nach Haus, denn das Säen gehört zu den beschwerlichsten Arbeiten: ein bis zwei Simri Saatfrucht vor sich hertragen, in dem schweren Boden, wo man kaum die Füße heben kann, sich in gleichmäßigem Schritt und gerader Linie halten und dabei allzeit einen gleichmäßigen Wurf thun – wenn Bläsi Abends heim kam, schlief er bald ein, und es war nicht abzusehen, wann die Angelegenheit mit Erdmuthe enden sollte.
    Man schnitt eines Tages wieder gemeinsam den Späthaber an dem Hubelberg, die Blätter an den Bäumen fingen schon an zu vergilben, an den Bergen hingen Wolkenflocken und ein leiser Herbstduft wob über den Feldern; da kam Gottfried mit einem fremden Herrn zu den Schnittern auf das Feld. Erdmuthe mußte ihn auf den Wunsch der Genossen nach altem Brauche »in's Weisch fangen«. Sie nahm eine Handvoll Aehren, wand sie dem Fremden um den Arm, legte ihm die Sichel auf die Schulter und sprach:
     
    Den Weg bin ich gegangen,
    Den Herrn hab' ich gefangen,
    Das Brod wird sich gesegnen,
    Der Herr wird sich auslösen.
     
    »Wenn du mich in's Weisch fangst, kriegst du auch was,« sagte Gottfried in ungewohnter Leutseligkeit. Als ihm nun Erdmuthe die Hand auf die Schulter legte, bebte er zusammen. Spürte er vielleicht die Blutsverwandtschaft? Er war wenigstens so verwirrt, daß er dem Theilungskommissar – denn dies war der fremde Herr – nur ordnungslose Auskunft geben konnte über die Art, wie der Zerstückelung der Güter ein Ende gemacht und durch Tausch u.s.w. wieder abgerundete Ackerflächen zusammengelegt werden sollten.
    Auf den Abend war die Sichelhenkete anberaumt und Gottfried sagte dem Bläsi, daß er die fremden Taglöhner ablohnen und fortschicken wolle. Bläsi widersprach und sagte, daß man die Lichtenhardter noch behalten müsse.
    »Hast denn was mit dem Mädle?« fragte der Vater.
    »Ich geb' Euch mein heilig Wort, ich hab' nichts mit des Traudle's Tochter,« erwiderte Bläsi und der Vater willfahrte ihm gern, er hatte ja Freude genug, daß sein verdüsterter Sohn ihm so heiter und frisch wieder erstanden war.
     

Bräutle lösen und Allerseelen.
     
    Warum zögerte nur Bläsi mit der Offenbarung des Geheimnisses? Ihm bangte doch davor, denn er kannte die eiserne Härte des Vaters, er hatte auf irgend einen begünstigenden Zufall gehofft, aber der war nicht eingetreten, und wie das so geht, allmälig erwuchs ihm ein neuer Gedanke.
    Viele Menschen sind oft am stolzesten auf Ereignisse und Gedanken, die ihnen im Laufe der Zeit erwuchsen und bereden dann sich und Andere, daß dies ihre ursprüngliche, genau berechnete Absicht war. So beredete sich auch Bläsi, daß er die lange Verborgenheit erzielte, um den haushälterischen Sinn Erdmuthe's zu prüfen und in ihr zu pflanzen; denn so tief und innig auch seine Liebe zu Erdmuthe war, er war doch noch Gottfriedisch genug, um jede leichtfertige Vergeudung, ja sogar die bloße Sorglosigkeit als das ärgste Uebel zu fürchten, und man konnte nicht wissen, was noch Erdmuthe von der Gewohnheit ihres elterlichen Hauses anhange.
    Erdmuthe hatte ihn nur das Einemal am Morgen vor der Ernte um Lösung des Geheimnisses gebeten, sie schwieg fortan und harrte geduldig. Um so drängender war Traudle. Sie schilderte die Gefahr, daß Jemand von Lichtenhardt komme und sage, daß ihre Tochter todt sei, sie schilderte ihre Qual und die Erdmuthe's in den grellsten Farben und wollte keinen Zweck der Zögerung anerkennen. Ja seit einigen Wochen wuchs die Sorge, daß das Geheimniß auf ungeschickte Weise offenbar würde, das sich so wunderbar lange erhalten hatte; der lahme Klaus mußte Erdmuthe halb erkannt haben, denn er lauerte ihr oft auf und lief an seinen Krücken ihr nach und fragte sie, ob sie nichts von Erdmuthe wisse; diese wies ihn barsch ab, aber sie weinte darüber im Stillen. Das Unglück kennt einander, nur Klaus hatte sie erkannt, und sie wich ihm nun aus und verbarg sich vor ihm; aber erst als Traudle ihn bat, ihr Kind in Ruhe zu lassen, ließ er ab, sie zu

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