Schwarzwaelder Dorfgeschichten
verfolgen.
Die Sichelhenkete war in Lustigkeit vorüber. Gottfried hatte die Taglöhner für die bisherige Arbeit abgelohnt, und Erdmuthe als »Weischgefangener« noch ein besonderes Geschenk gemacht. Jetzt kam Traudle mit erneuertem Drängen, aber Bläsi ging zu Erdmuthe, die im Keller Kraut einschnitt, und fragte sie, was sie mit ihrem Gelde mache.
»Ich hab's bis auf zwei Gulden dem Traudle geschenkt,« erwiderte sie, und Bläsi gerieth darob in gewaltigen Zorn und schalt über Verschwendungssucht und böse Gewohnheiten. Erdmuthe ließ ihn austoben, dann erklärte sie ihm, daß sie ebenso gern arm sein möchte als in Reichthum kommen, und dieses sei ihr nur darum erwünscht, damit sie Anderen ohne Schmälerung des Besitzthumes Gutes thun könne; dürfe sie das nicht und vertraue ihr Bläsi nicht, daß sie haushälterisch sei, so verließe sie lieber in dieser Stunde das Haus und zöge wieder in die weite Welt, und wolle Niemand sagen wer sie sei. Nun ging es an ein abermaliges und gründliches Erörtern der beiderseitigen Geldschätzung, und Bläsi, der Erdmuthe hatte bekehren wollen, mußte selber bekennen, daß bei der Art, wie man in seinem elterlichen Hause allzeit in Angst und Sorge sei, man kein Vermögen besitze, sondern davon besessen sei, und daß es ein Taglöhner besser habe als ein Reicher, der immer den Geldschlüssel an's Herz gebunden habe. Bläsi verstand diese letzte Wendung wohl und er bat Erdmuthe nur, seinen Vater nichts merken zu lassen, daß er und sie andern Sinnes seien. Mit Freude gab ihm Erdmuthe die Hand darauf und versöhnte ihn zuletzt noch völlig, indem sie sagte:
»Ich will dir's nur gestehen, ich hab' mein Geld noch, und hab' dem Traudle nur zwei Gulden geschenkt; aber weil du mich so mißtrauisch gefragt hast, hab' ich grad' umgekehrt gesagt; du mußt an mich glauben, ungefragt, wie ich an dich; ich mein', ich hab' dir's bewiesen.«
»Ja, und jetzt ist Alles gut und schön und am Allerseelentag kommt's erst recht. Meiner Schwester hab' ich zur Vorsorge Alles gesagt, und du sollst, wenn's Abend wird, zu ihr kommen. Es geht was vor. Sei gefaßt.«
Im eigenen elterlichen Hause fand sich Erdmuthe zuerst wieder daheim und erkannt, und es war das größte Lob, das ein Gottfriedisches aussprechen konnte, als die Schwester sagte:
»Mein Bruder macht ein größer Glück an dir, als wenn du dein Vermögen doppelt und dreifach noch hättest.«
Als andern Tages Erdmuthe mit vielen andern Frauen beim Hanfbrechen am Weiher war, kam auch Bläsi und bezahlte gern das übliche Lösegeld, das ein Mann geben muß, der den Frauen bei dieser Arbeit in den Weg kommt. Viele Knaben sprangen hier umher, die sich Peitschen flochten und das Bräutlelösen am Weiher spielten; als wäre er selber noch ein Kind, nahm auch Bläsi dieses Spiel auf, und Alles staunte und jubelte über seine Geschicklichkeit. Im Uebermuthe seines beseligenden Geheimnisses und in der kecken Lust es zu verrathen, rief er:
»Das hab' ich vor vielen Jahren mit der Erdmuthe gespielt, sie hat lang auf dem Wasser getanzt, endlich ist sie doch untergeplumpst.«
Niemand verstand ihn als Erdmuthe und die Schwester, die Anderen sahen einander staunend an und ihre Blicke sagten: jetzt hat man gemeint, er wär' geheilt, und jetzt ist er doch wieder nicht recht im Kopf. –
Ein stiller sonnenloser Tag brach an, der Himmel war weißlichgrau und die Erde auch, denn ein Winterreif lag auf Gras und Scholle und auf den Spitzen der Wintersaat. In jener Buchenumzäunung vor dem Dorfe brannten hunderte von Lichtern auf den schwarzen Kreuzen, kein Windhauch wehte und die Lichter brannten unbewegt; auf einem Kreuze flammten zwei Lichter und darunter stand der Name: Erdmuthe. Die Lebenden gingen zwischen den Gräbern der Abgeschiedenen umher, Niemand sprach ein lautes Wort, nur leise Gebete wurden gemurmelt, die Lebenden selber glichen umwandelnden Geistern und Mancher mußte denken, daß er über's Jahr vielleicht auch hier unter dem bereiften Boden liege und ein Licht brennt zu seinen Häupten. Auch Gottfried wandelte hin und her, er hatte Gräber von Eltern und Kindern und von der Schwester hier. Als er sich diesem wieder nahte, lag eine Frauengestalt auf demselben ausgestreckt und schluchzte, daß es ihr den ganzen Körper zusammenschütterte. War das nicht die Tochter Traudle's, zum Erstenmal barhäuptig?
»Was hast du da? Was geht dich das Grab an?« fragte Gottfried. Dringt das Antlitz der Verstorbenen aus der Erde? Mit bleichen Lippen
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