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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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gedrückt und hab' g'sagt: So, Rock, jetzt bist du mein; bisher bin ich dein g'wesen. Das spar' ich jetzt bei Eueren Kleidern, die habt Ihr schon mit allerlei Speis' und Trank genährt. Ich bin jetzt ein neugeborenes Kind, und dem schenkt man die Kleidchen, die man ihm nicht angemessen. Ich bin neugeboren.«
    In der That schien das bei dem Alten der Fall; seine frühere tolle Laune, die seit einiger Zeit eingeschlummert schien, jauchzte wieder laut auf.
    Als ein Mann hereintrat, der zum Löschen des Brandes gekommen war, und weil er einmal im Geschäfte begriffen, auch innerlich einen Brand gelöscht hatte, und zwar, wie sich ganz deutlich zeigte, mehr als nöthig – da schrie der Geigerlex: »Ich beneide nur den Kerl um seinen schönen Rausch.« –
    Alles lachte. – Das Lachen und Spaßen ward indeß unterbrochen, denn der Amtmann mit seinem Actuarius kam, um über die Entstehung des Feuers und den angerichteten Schaden ein Protokoll aufzunehmen.
    Der Geigerlex gestand sein Vergehen offenherzig ein. Er hatte die seltsame Eigenheit, daß er fast in jeder Tasche ein Schächtelchen mit Reibzündhölzchen trug, um nie fehlzugreifen, wenn er seine Pfeife anzünden wollte. Wenn man ihn besuchte, und wenn er wohin kam, spielte er immer damit, daß er eins der Hölzchen rasch entzündete. Oft und oft sagte er dabei: »Es ist doch schändlich, daß das erst jetzt aufkommt, wo ich bald abkratzen muß. Schaut, wie das geht, wie der Blitz. Wenn ich's zusammen rechne, habe ich Jahre Zeit verloren mit dem Feuerschlagen; der Alte da oben muß mir dafür zehn Jahre Zulag geben zu den siebzig Jahren, die mir gehören.«
    Aus dieser fast kindischen Spielerei war aller Wahrscheinlichkeit nach der Brand entstanden, es ließ sich aber nichts beweisen; und der Amtmann sagte zuletzt: »Es ist nur gut, Ihr seid eigentlich der letzte Spielmann; in unserer Zeit voll griesgrämiger Wichtigthuerei seid Ihr ein Ueberrest aus der vergangenen lustig sorglosen Welt, es wäre Schade, wenn Ihr so jämmerlich umgekommen wäret.«
    »Und bei meinem gesunden Durst verbrennen, das wäre gar zu dumm! Herr Amtmann, ich hätte sollen Pfarrer werden, ich hätte den Menschen gepredigt: macht Euch nichts aus dem Leben, und es kann Euch nichts anhaben; schaut Euch Alles wie eine Narrethei an, und Ihr seid die Gescheitesten; und giebt's noch auf der andern Welt eine Nachkirchweihe, so tanzen wir sie auch mit! Wenn die Welt immer lustig wär', nichts thät' als arbeiten und tanzen, da brauchte man keine Schullehrer, nicht schreiben und lesen lernen, keine Pfarrer, und – mit Verlaub zu sagen, auch keine Beamte. – Die ganze Welt ist eine große Geige, die Saiten sind aufgespannt, der lustige Herrgott verstünde es schon, darauf zu spielen, aber er muß immer an den Schrauben am Hals – das sind die Herren Pfarrer und Beamten – drehen und drücken, und es ist Alles nichts als ein Probiren und Stimmen, und der Tanz will nie losgehen.«
    Solcherlei Rede führte der Geigerlex, und der Amtmann nahm wohlwollend Abschied von ihm; denn auch er kannte die Lebensgeschichte des seltsamen Mannes.
    Es sind jetzt nahezu dreißig Jahre, seit der Geigerlex im Dorf ist, gerade so lange als die neue Kirche eingeweiht wurde. Damals kam er in das Dorf und spielte drei Tage und drei Nächte, nur einige Morgenstunden ausgesetzt, fast unaufhörlich die tollsten Weisen. Abergläubige Leute munkelten, das müsse der Teufel sein, der so viel Uebermuth aus dem Instrumente zu locken vermag, der Niemand ruhen und rasten ließ, wer ihm zuhörte, wie er selbst kaum der Ruhe zu bedürfen schien. – Er aß während dieser ganzen Zeit kaum einen Bissen und trank nur, aber in mächtigen Zügen, während der Pausen. Manchmal war's, als bewegte er sich gar nicht, er legte nur den Fiedelbogen auf die Saiten und helle Töne sprangen daraus hervor, der Fiedelbogen hüpfte fast von selbst in kurzen Sätzen auf und nieder.
    Hei! was war das ein Rasen und Springen auf dem großen Tanzboden in der »Sonne!«
    Einmal während einer Pause rief die Wirthin, eine behagliche runde Wittwe: »Spielmann! halt' doch einmal ein, alles Vieh im Dorf verklagt dich und muß fast verkommen, die Burschen und Mädchen gehen nicht heim zum Füttern. – Wenn du's nicht wegen der Menschen thust, wegen des lieben Viehes halt doch ein!«
    »Recht so,« rief der Geigerlex, »da könnt' Ihr's sehen, wie der Mensch das edelste Wesen auf der Erde ist, der Mensch allein kann tanzen, paarweise tanzen. Wirthin, wenn du

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