Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Erden hat, sowie aller derer, die von ihm und seinen Bischöfen geweiht sind.«
Ivo war das schon recht, doch begriff er es nicht ganz, und es that ihm bei alledem leid, daß der gute Petrus so immer an der Thüre sitzen muß.
Eine schwere Sorge lud der Kaplan dem Ivo auf, als er einst den Kindern einschärfte, man müsse sich jeden Tag fragen: was hast du heute gelernt oder Gutes gethan?
Ivo nahm das buchstäblich genau und war oft sehr übel daran, wenn er nichts Rechtes auffinden konnte. Er wälzte sich dann verzweiflungsvoll in seinem Bette umher.
Es geht mit dem Wachstum des Geistes, wie mit jedem natürlichen Wachstume: ein Thier, eine Pflanze wächst, ohne daß man es eigentlich im wahren Sinn des Wortes sieht. Man sieht stets nur das Gewachsene, nie das Wachsen.
Wir werden sehen, daß Ivo an Geist zunahm, obgleich er sich keine genaue Rechenschaft davon geben konnte.
Dagegen hatte der Kaplan eine weise und nachahmungswerthe Einrichtung in seiner Schule. Er setzte die Knaben nicht nach ihrer Fähigkeit und Geschicklichkeit, sondern nach ihrem Fleiße und ihrer Pünktlichkeit; erst nach diesen sollten jene den Ausschlag geben, »denn,« sagte er, »Fleiß und Ordnung kann sich jeder angewöhnen; das Angeeignete ist die höhere Tugend, Fähigkeit und Geschick aber sind nur überkommene Naturgaben.« So zwang er die Befähigten zur Emsigkeit und verlieh den Minderbegabten Muth und Zuversicht.
Ivo, der mit entschiedener Begabung eine große Gewissenhaftigkeit vereinigte, war bald einer der ersten, und der Oberamtmann sah es gern, daß seine Knaben ihn in's Haus zogen.
Wir kennen den Oberamtmann Rellings noch von dem Befehlerles her. Ivo hatte zu Hause auch oft von seiner Härte erzählen gehört; wie erstaunte er nun, daß er einen freundlichen, gütigen Mann in ihm fand, der mit seinen Kindern spielte und ihnen allerlei Freude bereitete.
So ist es eben. Man wird Hunderte von Menschen treffen, die in Bezug auf das Allgemeine die freisinnigsten Ansichten verfolgen, daß alle Menschen gleich seien u.s.w.; zu Hause aber quälen sie ihr Gesinde, ja sogar Frau und Kinder, wie echte eigenwillige Tyrannen; dagegen wird man andere, besonders Beamte finden, die jeden Menschen, der kein Beamter ist, wie einen Sklaven und Landläufer ansehen und danach behandeln; in ihren vier Wänden sind sie aber die besten Hausväter.
So wohl sich nun Ivo in der Stadt fühlte, so empfand er doch jeden Sonntagabend, wenn es zu Nacht läutete, einen stillen Schmerz; diese Töne verkündeten ihm: morgen ist's Montag, und da geht's wieder fort aus dem elterlichen Hause, von der Mutter, vom Nazi und den Tauben. Nach und nach lernte er auch auf seinem täglichen Gange die darin liegenden Freuden ziehen. Er ging stets allein, denn er wich gern dem Constantin aus, der ihn auf alle Weise neckte.
Im Sommer ging er stets singend seinen Weg; im Herbste hatte er immer die besondere Freude, daß seine Mutter und Schwester einige Tage in des Staffelnbäcks Mühle mahlten; er ging dann mittags nicht zur Frau Hanklerin, sondern aß mit den Seinigen in der dröhnenden Mühlstube zu Mittag. Der Winter bot ihm die meisten Freuden. Nazi, der allerlei Handwerk verstand, hatte mit einem alten eisernen Reifen den Bergschlitten beschlagen. Auf der Hochbux setzte sich dann Ivo auf sein leichtes Fahrzeug, und wie ein Pfeil fuhr er die Straße hinab bis vor die Neckarbrücke. Zähneklappernd sagte er oft im Fahren seinen Spruch oder seine Regel aus der Syntax vor sich hin. Freilich mußte dann Ivo auch des Abends seinen Schlitten wieder an einem Seile den Berg hinaufziehen, aber er that das gern, und meist fand sich auch ein Wagen, an den er sein kleines Fuhrwerk anhängen durfte; nur äußerst selten widerstand ein zäher Fuhrmann seinem freundlichen Bitten.
Ivo versah auch Botendienste für das halbe Dorf: für den einen trug er Garn in die Farbe, für den andern einen Brief auf die Post, für einen dritten fragte er nach, ob kein Brief für ihn da sei. Beim Nachhausegehen hatte er oft einige Stränge Seide, Brustthee, Blutegel in einem Glase, auch Hoffmannstropfen und allerlei, was ihm die Leute aufgetragen, in seinem Schulranzen. Daher war er im ganzen Dorfe sehr beliebt, während Peter und Constantin solche Botendienste stolz abwiesen.
Großes Aufsehen erregte es im ganzen Dorfe, als des Sonntagsnachmittags im Herbste die beiden Söhne des Oberamtmanns mit ihren rothen Mützen den Ivo besuchten.
Die Mutter Christine sah zum Fenster hinaus und
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