Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Dunkel gehüllt ist, wo groß und klein jeden Landereiter und Schreiber demüthig grüßt, weil man weiß, wie man in ihre Hand gegeben ist, wenn die Thüre des geheimen Gerichtes hinter einem in die Klinke fallt?
Der Schäpfleswirth grüßte Ivo ebenfalls sehr freundlich und rieb dabei nach seiner Gewohnheit die Hände, als ob es ihn friere. Ivo durfte nun in das »Herrenstüble« an den durch einen Bretterverschlag abgesonderten Tisch, wo der Kameralverwalter und der Oberamtmann saßen.
Zwei Kaufleute aus Horb standen etwas zaghaft unter dem Eingange in die Herrenkammer. Endlich sagte der eine: »Nun, Herr Stadtrat, was wollen wir denn trinken?«
»Was Sie wollen, Herr Stadtrat,« erwiderte der Angeredete.
Jetzt war's heraus, die beiden Männer waren gestern zu dieser Würde gewählt worden; sie gehörten nun auch an den Herrentisch und nahmen mit tiefen Bücklingen Platz. Der Oberamtmann sah seinen Kollegen an und lächelte höhnisch.
Ivo war seelenvergnügt in dieser Gesellschaft, aber er sollte bald eine Züchtigung für seine Eitelkeit erfahren. Die Kinder erzählten, was sie von Ivo's Mutter über die Wirksamkeit des Hufeisens gehört hatten. Der Oberamtmann, der sich gern in religiösen Dingen als freidenkend zeigte, weil das nicht gegen ein ausdrückliches Verbot im Gesetze war, sondern sogar zur Bildung gehörte, sagte: »Was dummes Zeug! Das ist ein hirnloser Aberglaube. Laßt euch von einem einfältigen Bauernweib nichts aufbinden; ich hab's euch schon oft gesagt, es gibt keinen Teufel und keine Heiligen, oder Heilige, die will ich noch hingehen lassen.«
Ivo zitterte auf seinem Stuhle. Es schnitt ihm tief durch die Seele, wie man hier von seiner Mutter sprach, und noch dazu so gottlos. Er wünschte sich, daß nie solche Kameraden zu ihm gekommen wären. Gegen den Oberamtmann aber faßte er einen gründlichen Haß, er sah ihn grimmig an. Dieser schien nichts davon zu verspüren, er war sehr herablassend und freundlich gegen die zwei neuen Stadträthe, welche, ganz entzückt von so viel Güte, den Mund nicht zubringen konnten.
Unserm Ivo ward es aber erst wieder leicht, als alle die »Herrenleute« weggingen; und so bös war er, daß er sich damit freute, dem Oberamtmann keine gute Nacht gewünscht zu haben.
Fußnoten
1 Unwillkommen.
2 Speicher.
3 Name eines Wirthshauses. Schapf nennt man ein Gefäß, mit dem man Wasser schäpft.
7.
Das Kloster.
Jahre gingen vorüber, man merkte es kaum. Constantin und Peter hatten im Herbste ihre Prüfung bestanden und waren nun bestimmt, in das Kloster zu Rottweil einzutreten; ein Ereigniß aber, von dem man noch lange redete, hielt den Peter im Dorfe fest.
Das zweite Gras war im Schloßgarten abgemäht, die Zeitlose, bei uns Dirnenblume genannt, weil sie so schamlos ohne alle Blätterverhüllung erscheint, stand einsam unter dem bereiften Grase; die Kühe weideten jetzt hier frei, und die Kinder tummelten sich überall und machten auf vereinzelte, an den Bäumen hängen gebliebene Aepfel und Birnen Jagd, gegen die sie mit Stöcken und Steinen auszogen.
Peter saß auf dem Wadelbirnenbaum an der Schloßmauer, nicht weit von dem Eckthurme; eine goldgelbe Birne war das Ziel seines hohen Strebens, der muthwillige Constantin aber wollte ihm die Beute wegschnappen und warf mit einem Steine danach. Da schrie Peter: »mein Aug, mein Aug!« und stürzte samt dem Aste, auf dem er gesessen, vom Baume; das Blut quoll ihm aus dem Auge, Constantin stand neben ihm, weinte und schrie aus vollem Halse um Hülfe.
Das Mauritzele, das die Kühe hütete, kam herbei. Es sah den blutenden Knaben, nahm ihn schnell auf die Schulter und trug ihn nach Haus; Constantin ging hintendrein, alle andern Kinder gesellten sich dazu. Der Zug vergrößerte sich stets, bis man vor Hansjörgs Haus kam; dieser richtete eben einen Wagen her, und als er sein Kind so blutend fand und ohnmächtig sah, schlug er die Hände über dem Kopfe zusammen. Peter schlug das eine Auge auf, das andere aber blutete immer stärker.
»Wer hat dir das gethan?« fragte Hansjörg mit geballter Faust, bald sein jammerndes Kind, bald den zitternden Constantin betrachtend.
»Ich bin vom Baum gefallen,« sagte Peter, auch das gesunde Auge zudrückend, »ach Gott, ach Gott, mein Aug' lauft aus.«
Kaum hatte Constantin das gehört, sprang er schnell fort nach Horb zu dem jungen Erath, der jetzt das Amt seines verstorbenen Vaters bekleidete. Mit namenloser Angst lief Constantin vor dem Hause
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