Schwarzwaelder Dorfgeschichten
hörte, wie die Knaben den blinden Koanradle nach Ivo's Haus fragten; und obgleich Alles im Zimmer wohlaufgeräumt war, geriet sie doch in große Angst. In ihrer Hast legte sie den Schemel auf das Bett und stellte ein Paar Stiefel, die im Winkel standen, gerade vorn unter den Tisch. Sie hörte den Besuch die Treppe heraufpoltern und machte gar verlegen, aber doch mit sichtbarer Freude den »jungen Herren« die Thüre auf und hieß sie willkommen; dann rief sie der Emmerenz zum Fenster hinaus, sie solle den Ivo aufsuchen und auch den Vater, sie sollten schnell heimkommen, es sei Besuch da.
Abermals wischte sie mit ihrer weißen Sonntagsschürze beide Stühle ab und nöthigte die Knaben zum Sitzen. Sie entschuldigte sich, daß Alles so unordentlich aussehe; »so ist es halt bei Bauersleuten,« schloß sie und heftete beschämt den Blick auf den Boden, der doch so rein gewaschen war, daß die Rippen aus den Brettern heraussahen.
Der blinde Koanradle machte eben die Thüre auf, um zu sehen, was es gäbe, und dafür, daß er den Knaben das Haus gezeigt, an der Aufwartung, etwa an einem guten »Schäle« Kaffee Theil zu nehmen; die Mutter Christine schob ihn aber, ohne viele Umstände zu machen, wieder zur Thüre hinaus und sagte: »komm ein andermal.«
Gute Frau! Du warst sonst so groß in deiner religiösen Kraft, und vor diesen Setzlingen der Herren der Erde bist du so klein und demüthig. Freilich bist du in der Furcht des Herrn und fast noch mehr in der Furcht der »Herren« auferzogen und alt geworden.
Der älteste der Oberamtmanns-Söhne hatte sich unterdessen mit vieler Zuversicht in der Stube umgesehen; auf die Stubenthür deutend, fragte er nun: »Warum ist denn das Hufeisen da angenagelt?«
Ernst die Hände zusammenlegend und den Kopf niederbeugend, sagte die Mutter: »Das wisset ihr nicht? Das ist von deswegen: Wenn man mittags zwischen elf und zwölf ein Hufeisen findet, es unbeschrieen einsteckt und an die Thür nagelt, kann kein böser Geist, kein Teufel und kein' Hex herein.« –
Die Knaben schauten verwundert drein.
Ivo kam und bald nach ihm der Vater, er zog die Mütze ab und hieß die »jungen Herren« willkommen; dann sagte er, sich die Hände reibend: »Wie? Weib, hast denn gar nichts im Haus? hol' auch 'was zum Aufwarten.«
Die Mutter hatte nur darauf geharrt, bis sie abkommen konnte; sie ging nun, das Schönste und Beste zusammen zu suchen. Die Emmerenz war so gescheit gewesen und hatte sich in der Küche eingestellt, da man vielleicht noch ihrer bedürfe, denn das Gretle war mit seinem Schatz spazieren; auch hatte wohl Emmerenz noch den geheimen Grund, die vornehmen Kameraden des Ivo noch einmal zu sehen, denn auch ihr that es wohl, daß er so hoch in Ehren stand.
Noch viele Nachbarfrauen hatten sich, von dem Besuche angelockt, in der Küche eingefunden, die Mutter verließ sie mit freundlichen Entschuldigungen und trug eine große Schüssel voll rothbackiger Aepfel, »Breitlinge« genannt, in die Stube. Die Emmerenz trug auf einem blanken Zinnteller zwei Gläschen voll Kirschenwasser.
Die Knaben mußten essen und sogar von dem Branntwein trinken, dann stopfte ihnen die Mutter noch alle Taschen voll Obst. Zuletzt gab sie dem Kleinen noch besonders einen schönen Apfel zum »Gruß an die Frau Mutter, und sie solle ihn auf den Kommod stellen.«
Die Knaben gingen endlich fort. Valentin nickte freundlich, als sie ihn baten, daß der Ivo mit dürfe; die Mutter rückte ihm noch den Hemdkragen zurecht und putzte ihm noch alle Fiserchen von seinem blauen Rocke weg. Ivo hörte zu seiner Freude, daß er bald einen neuen bekäme.
Mit den Frauen, die hinter der halb vorgezogenen Küchenthür gewartet hatten, ging nun Christine auf die Straße und sah vergnügt den dreien nach, die Valentin noch bis zum Adler begleitete. Die Schultheißin sah zum Fenster heraus, und Christine rief ihr hinauf: »Das sind des Oberamtmanns Buben. Sie holen meinen Ivo 'naus zu ihrem Vater in das Schäpfle 3 , er sieht's gern, daß sie Kameradschaft mit ihm haben, er ist gar gescheit und beliebt.«
Es darf auch nicht verschwiegen werden, daß sogar Ivo mit einem gewissen Stolze Hand in Hand mit den Knaben durch das Dorf ging. Er freute sich, daß alle Leute zu den Fenstern heraussahen, und er sagte allen mit großer Selbstzufriedenheit: »Guten Tag.«
Wer wird ihm das verdenken in einem Lande, wo des Kindes Vorstellung schon von der Allmacht der Beamten fabelt, wo ihr Dasein und ihre Wirksamkeit in ein majestätisches
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