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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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rief er zitternd: »Teufel! Beelzebub! du Herrscher der Hölle, erscheine mir, gib mir von deinen Schätzen, und meine Seele sei dein, erscheine, erscheine!«
    Clemens horchte mit angehaltenem Athem, alles war still, nichts regte sich, nur von ferne vernahm man das Bellen eines Hundes. In sich zusammengekauert, lag Clemens lange so, und als noch immer nichts erschien, kehrte er fröstelnd in sein Bett zurück.
    Andern Tages saß Clemens blaß und abgehärmt an seinem Pulte, das Buch war vor ihm aufgeschlagen, aber er las nicht. Wie Schlangenwindungen krochen die schwarzen Zeichen vor seinem Auge in einander; da brachte ihm der Briefträger einen Brief. Er hatte ihn kaum überlesen, als er ohnmächtig vom Stuhl herabsank, seiner krampfhaft geballten Hand entfiel ein lithographiertes Billet, darauf stand: »Cornelie Müller und Hermann Adam, Verlobte.« Alles eilte schnell herbei, Clemens wurde zu Bette gebracht. Ivo harrte zitternd und weinend, bis der Athem seines Freundes wieder zurückkehrte; nun aber verfiel Clemens in ein heftiges Fieber, seine Zähne klapperten, und er zuckte stets zusammen, daß man ihn halten mußte. Drei Tage lang lag der Unglückliche im Delirium, er sprach bisweilen von dem Teufel und bellte wie ein Hund; nur einmal sagte er, sanft die Augen zulegend: »Gute Nacht, Cornelie.« Ivo durchlas den an Clemens gerichteten Brief, er hatte dieses Recht stets gehabt, und nun fand er einigermaßen den Zusammenhang. Der Brief enthielt die Nachricht, daß ein reicher Oheim von Clemens' Mutter gestorben sei und sie zur Gesamterbin eingesetzt habe; die freudigsten Hoffnungen für die Zukunft waren hieran geknüpft. Ivo wich nicht von dem Bette seines Freundes, und wenn er fort mußte, löste ihn meist Bartel ab.
    Das Krankenlager des Clemens war ein tief schmerzliches. Meist düsterte er so hin mit offenen Augen, aber, wie es schien, ohne etwas zu sehen. Ivo mußte die Hand auf seine brennend heiße Stirne legen, und dann sagte er manchmal, die Augen schließend: »Ah!« Es war wie wenn bei der Berührung der geweihten Freundeshand böse Martergeister aus der engen Behausung des Gehirnes auszögen. Hin und wieder brauste auch Clemens in gewaltigem Ingrimm auf und verfluchte die ganze Welt und ihre Lieblosigkeit; wenn ihn dann Ivo zu begütigen suchte, kehrte sich der Zorn des Gereizten gerade gegen ihn, mit krampfhaft zitternden Händen um sich schlagend, rief er: »O du herzloser Wicht, gelt, mich kannst du quälen?«
    Mit frommer Duldung, Thränen in den Augen, nahm Ivo diese rauhe Behandlung hin; ja, er empfand bisweilen sogar eine gewisse innere Freude und Genugtuung darin, für seinen Freund auch dieses über sich nehmen zu dürfen.
    Als Clemens am vierten Tage erwachte, war es ihm, als ob sich vor ihm in der Unendlichkeit, aber doch wieder ganz nahe, so daß er es greifen konnte, in der blauen Luft eine Nische aufthäte, die von lauter Licht erfüllt war; um ihn und aus ihm rief es: »Clemens!« Er hatte sich wieder gefunden. Noch oft erzählte er, daß es ihm in diesem Augenblicke war, als ob Gott in seiner Strahlenglorie ihn erhellte und ihn zurückführte zu ihm und zu sich selber. Als er nun endlich wieder zu ruhiger Besinnung gelangt war, sagte er, die Hände hoch erhebend: »Mich hungert nach Gottes Tisch.« Er verlangte nach dem Beichtiger und sagte diesem Alles: daß er den Teufel beschworen, daß dieser ihm geholfen und ihn zu Grunde gerichtet habe. Er bat zerknirscht um eine schwere Buße und Absolution. Der Beichtiger auferlegte ihm eine leichte Buße und bedeutete ihn eindringlich, daß ihm das Vergangene dazu dienen müsse, alle weltlichen Gelüste von sich abzulösen, wie Gott ihn wunderbar gerettet, und wie er fortan nur ihm angehören müsse.
    Wer in das Antlitz des Clemens hätte schauen können, als er mit gläubig geschlossenen Augen dalag, und der Beichtiger, den Segen über ihn aussprechend, als Sinnbild der Versöhnung das Zeichen des Kreuzes auf dem Angesichte des Kranken vollführte, wer die Spannung der Muskeln und das Pulsieren der Wangen hätte beobachten können, der hätte es Clemens nachfühlen mögen, welch eine heilige Wandlung mit ihm vorging; es war ihm wirklich und wahrhaft, als ob die Hand Gottes ihn berührte, leicht und lind all die Schwere aus ihm hervorleitete und neuer Lebenshauch ihn durchströmte.
    Der wiedererstandene Clemens war ein ganz anderer. Er schlich leise umher, sich oft umschauend, als fürchte er etwas, dann stand er wieder plötzlich stille.

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