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Schwarzwaldau

Schwarzwaldau

Titel: Schwarzwaldau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Holtei
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Phantasie ist nun auf einmal wieder die unerwartete Veränderung getreten, die Emil's ganzes Wesen umgestimmt, wie man eine Hand wendet?
    »Er bereut schon, daß er sich heute Morgens weggeworfen, daß er mir brüderlich die Hand gereicht! Er ist ein unzuverlässiger, von jeglichem äußerlichen Eindrucke abhängiger Mensch. Keiner gewaltigen Leidenschaft fähig, weder in Neigung noch Abneigung; weder in Liebe noch Haß. Seine Worte haben keine Bedeutung, wie schön sie klingen. Täuscht er doch sich selbst, indem er redet und zu glauben wähnt an das, was er spricht. Warum sollte er Andere nicht täuschen? Auch was er mir über Agnes gesagt, ist ihm nicht Ernst. Wenn er sie achtete und hoch hielte, wie er prahlt, warum liebt er sie nicht, wie ein junger Mann ein junges, schönes Weib liebt? Warum lebt er getrennt von ihr? Ich liebe sie! Ich liebe sie, wie nur der liebt, der einer tief innersten, Leib und Seele ausfüllenden, ausschließlichen Passion lebt! Er weiß nicht, was er will und ich war ein Thor, daß ich seinen süßen Lügen lauschte. Wär' er ein ganzer Kerl, er hätte mich über den Haufen schießen müssen, da ich ihm eingestand, was er aus keines Menschen Munde hören dürfte; was aus dem Munde seines Dieners unerhörte Frechheit ist. – Ja, jetzt bereut er, daß er mir dieß Geheimniß ablockte; ist in tödtlicher Verlegenheit, wie er sich gegen mich stellen, wie er mich los werden soll? Die Gegenwart der fremden Dame beängstiget ihn. Vielleicht hat sie irgend eine Aeußerung über mich gethan, die ihn befürchten läßt . . . weßhalb rief er mich an den Tisch? Auf meine Frage ist er mir befriedigende Erklärung schuldig geblieben. Er ist feig. Er wird mir nicht in's Gesicht sagen. was ihn beunruhiget; wird es nicht eingestehen, wenn ich danach forsche. Ich muß vorsichtig sein: nachdem ich ihm die Waffen gegen mich in die Hand gegeben, ihn zum Vertrauten meines Schicksals machte, ist es ihm ein Leichtes, mich völlig zu verderben; mich vor ihr zu entehren! O, warum hab' ich mich durch – ich weiß nicht welches alberne Gefühl abwendig machen lassen von meinem entschiedenen Vorsatze? Warum hab' ich ihn gehindert, den seinen auszuführen? . . . Wenn es ihm überhaupt Ernst damit war!? Warum hab' ich mich in ein Gewebe neuer, verworrener Schlingen begeben, wo ich hängen bleiben muß, wenn ich mich nicht gewaltsam durchhaue?! Rücksichtslos, wen es trifft? Todt sein wäre besser. Besser für mich, besser für ihn . . . . Besser für sie! «
    Und Franz verlor sich in einer dunklen Reihe düsterer Bilder, in welchen die Genossen seiner Kerkerzeit mit bleichen Angesichtern und unheildrohenden Mienen an ihm vorüberschwebten, Erinnerungen weckend an manche grauenhafte, unentdeckte That, die in jenen dicken Mauern, heiser geflüstert, von Ohr zu Ohre geschlichen, wie das Gespenst eines längst Vermoderten.

Siebentes Kapitel.
    ›Flaches Land und flache Seelen!‹ ruft Friedrich Schlegel in irgend einem seiner Gedichte aus, und ich darf offen eingestehen, daß ich den Sinn dieses Ausrufes niemals begriffen habe. Will er dadurch andeuten, daß die Einwohner und Bebauer ebener Gegenden an Werth und Bedeutung hinter den Bergbewohnern zurückstehen? Dann dürften sich verschiedentliche Beobachter vorfinden, bereit, das Gegentheil zu behaupten. Soll es aber nur im Allgemeinen obligates Einstimmen bedeuten in den hergebrachten Chorus, daß nur im Gebirge die Natur schön und entzückend; nur vor hohen Spitzen und Kegeln die Seele frei, der Blick heiter: nur in Alpenlüften die Brust gehoben und erquickt sei? Soll es bedeuten, daß in weiten Fluren und Hainen; in tiefen Waldungen kaum durch einen Hügel unterbrochen; auf grünen Wiesen von Bächlein durchrieselt; im Schatten des Erlengebüsches, die Raine entlang; am stillen See, von träumenden Kiefern umkränzt; im meilenlangen wogenden Kornfeld, auf welchem Cyanen und Mohn mit blauen und feurigen Augen blinzeln; auf brauner Haide, wo die summende Biene zu Tausenden arbeitet und wo der hohe Himmel sein heiliges Dach über den Einsamen schützend zu wölben scheint; daß da keine Freude an Gottes Schöpfung, keine Naturfrömmigkeit, kein Behagen, keine Wärme des Gefühls, keine geistige Erhebung aufblühen könne? – Dann, wie gesagt, begreif' ich den tiefen Denker gar nicht. Wie mir denn überhaupt alle enragirten, exclusiven, auf unser flaches Land höhnisch und verächtlich herabspöttelnde Gebirgs-Coquetterieen unbegreiflich sein würden,

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