Schwarzwaldau
davon.
Vom Blute überdeckt, langten sie spät Abends im Schlosse an.
Achtzehntes Capitel.
Sie hatte mehrfach geäußert, bei ihrem Bänkchen, am kleinen See im Park, unter den Trauerweiden wünsche sie zu ruhen.
Dort wurde sie zur Erde bestattet.
Erst nach dem Begräbniß wechselten Emil und Gustav einige Worte. Bis dahin waren sie still und wie vernichtet neben einander hergegangen.
Sie beschlossen, sich bei Nacht, wenn Alles schlief, zur nothwendigen Besprechung auf Emil's Zimmer zu finden. Als sie dort zusammentrafen, bildeten sie, obgleich Beide von tiefsten Schmerzen durchdrungen, durch diese ihre Schmerzen gerade einen schroffen Gegensatz: Gustav trauerte um den Verlust der Geliebten, offen und ehrlich, mit der Wildheit eines sinnlichen, leidenschaftlichen Jünglings, dabei aber auch mit der Wehmuth eines Kindes, dem die junge Mutter, die Führerin, die milde, zärtliche Veredlerin gestorben. »Nun bin ich ein Verlorener!« hieß der Jedesmalige Schluß seiner Klagen, durch welche aus heißen Thränen schon das Geständniß herausklang: er werde sich in tolles Leben und wilde Zerstreuungen werfen, um – zu vergessen! Emil's Gram war keinesweges so einfach und natürlich; man könnte ihn raffinirt nennen. Doch wie viel und wie wenig davon wirklich bis auf den Grund seiner Seele gegangen sein mag, – drei rothe Blutflecke hafteten entschieden auf der leeren, farb- und freudelosen Fläche, die – wenn er der einsamen Zukunft gedachte – vor ihm lag: Erstens Agnesens grauenhafter Tod und die Trennung von ihr, deren Jugend neben ihm, durch ihn, ohne Jugendglück geblieben; zweitens die bevorstehende Abreise Gustav's! – Denn daß diesen keine Macht, keine Bitte mehr in Schwarzwaldau festhalten werde, ließ sich leicht errathen; – drittens endlich, und das war der Dunkelste der drei blutigen Flecken: die Furcht vor Gustav's ruhmrediger Eitelkeit, die über kurz oder lang, im wüsten Verkehr mit seines Gleichen, ausschwatzen könne, wie nahe er der Verstorbenen gestanden und wie dieses zweideutige Verhältniß von einem mehr als gefälligen Gatten geduldet worden sei. Emil hatte dieser seiner Befürchtungen kein Hehl. »Daß wir von einander scheiden müssen,« sprach er, »das weiß ich. Du kannst nicht weilen, wo sie nicht mehr lebt. Was Du mir in dieser letzteren Zeit an Neigung zugewendet, hatte ich ihr allein zu verdanken. Ihr Grabstein ist ein unübersteigliches Gebirge zwischen mir und Dir. Ich lasse Dich ziehen und bringe dadurch ihrem Angedenken das schwerste, darum auch das versöhnendste Todtenopfer. Auch sollst Du ihr Erbe sein. Agnesens eigenes Vermögen befindet sich in Staatspapieren unter meiner Obhut. Es gehört Dir. Hilf Deinen Eltern und dann unternimm, was Dir nothwendig scheint, Dich wieder in's Leben zu wenden. Ich lege Dir keine Bedingungen auf; verlange keine Rücksichten für mich; bitte Dich nur, die reine Liebe , wie Du sie hier kennen lerntest, in Deiner Seele zu tragen, damit sie Dich trage, halte, führe. Ich verlange nichts von Dir, als Achtung für die Todte und ihren Namen. Hat sie sich schwach gezeigt gegen Dich? – ich forsche nicht, in wie weit? mir steht das Recht nicht zu! – hat sie, die Edelste, die ich kannte, ihre weibliche Natur nicht ganz besiegt? ist sie Dir in einer flüchtigen Stunde vielleicht wie Andere, minder Würdige erschienen? . . . Vergiß das und bewahre nur in Deinem Herzen, was groß, heilig an ihr gewesen. Schone – ich will nicht sagen: schone mich und meine Ehre! – schone die ihrige! Bewahre das Geheimniß. Halt' es verborgen in tiefster Brust, gleich dem kostbarsten Juwel, dessen Glanz durch einen einzigen höhnischen Blick schon getrübt, dessen Werth durch eine einzige hämische Bemerkung schon verringert werden müßte. Unter dieser Bedingung nur empfängst Du dieß Portefeuille, trittst Du die Erbschaft an, daß Du mir mit feierlichstem Eidschwur gelobst zu schweigen! Zu schweigen, wie das Grab, in welchem sie modert.«
Gustav senkte den Kopf. Emil's Großmuth machte ihn sprachlos; dessen Ehrfurcht für die Verstorbene flößte ihm Ehrfurcht ein. Gleichwohl rollten schon in dieser ernsten Stunde warme Tropfen prickelnd durch des jungen Mannes Adern, die verführerisch auf neuen Lebensgenuß hinwiesen, da er vom Gelde vernahm. Er stand bereit, jeden Schwur abzulegen, den man von ihm begehren könnte, und Emil deutete sein stummes Harren für Einwilligung.
Da brachte er denn abermals den bekannten Dolch zum Vorschein. Auf diesen
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