Schwarzwaldstrand
irgendwo. Womöglich käme er ja gerade noch rechtzeitig, um zu verhindern, dass Martina Ehebruch beging!
Genau genommen musste er dann ja sogar an den Strand â das war er schon seinem alten Kumpel Bäuerle schuldig.
Und zwar gleich! Also, gleich nach diesem Gläschen â¦
Die Entscheidung wurde ihm wenig später abgenommen. Denn nachdem der Nachtwächter bereits die dritte Runde mit seinem reparaturbedürftigen Fahrrad über den Platz gedreht und jeweils Hubertusâ StraÃe passiert hatte (vermutlich weil er ihn im Verdacht hatte, er könne als einer der wenigen Wachgebliebenen doch noch für eine Ruhestörung sorgen), hörte er eine männliche Stimme, gefolgt von einem Kichern.
»â¦Â sei bellissima. Mi piacciono le tue lentiggini. Deine Sommersprossen mir gefallen. Du mir überhaupt gefallen. Du wunderschön«, lancierte Marco gerade wieder mal einen Schwall von Komplimenten.
»Grazie, Marco«, antwortete Martina vergnügt. »Du bist wirklich süÃ.«
Für so etwas Abgedroschenes wurde der belohnt, dachte sich Hubertus und verdrehte die Augen, was die beiden zum Glück nicht sehen konnten, da er im Mondschatten des Vorzelts saÃ.
»Auf was dann noch warten? Die Nackt ist wundersön. Du bist wundersön. Wir jung. Carpe diem, carpe noctem«, machte Marco nun einen auf Lateiner. »Und isch abbe ⦠abbe meine Herz verloren. An disch!!« Es folgte eine bedeutungsschwangere Pause. »Du biste meine Traumfrau.«
Hubertus verdrehte abermals die Augen und kippte den restlichen Rotwein in einem Zug hinunter.
»Ich weiÃ, Marco! Ich brauche aber dennoch etwas Zeit. Ich muss nachdenken â¦Â«
»Das kannst du jetzt am besten im Wohnwagen tun«, erhob sich Hubertus knarzend aus dem Campingstuhl und trat aus dem Schatten des Vorzelts hervor.
Das Paar, wenn es ein solches war, erschrak. Ruckartig zog Marco den Arm wieder zurück, den er gerade um ihren Nacken gelegt hatte.
»Papa! Was machst du denn noch um diese Uhrzeit â¦? Kontrollierst du mich etwa schon wieder?« Martina war sofort auf Hundertachtzig. »Das ist doch wirklich â¦Â«
Mit ihrer hochschnellenden Stimme rief sie den Nachtwächter auf den Plan, der gerade zum vierten Mal den Hummelâschen Wohnwagen passierte, kurz anhielt und ein zischendes Geräusch machte, um damit in internationaler Lautsprache unmissverständlich klarzumachen, dass die Unterhaltung leiser zu führen sei. Dass sein klappriges Fahrrad beim Durchstreifen des Campingplatzes fast genauso viel Lärm machte, spielte dabei offenbar keine Rolle.
»Silenzio«, schob er flüsternd, aber mit Nachdruck hinterher, erkannte dann Marco und wechselte mit ihm kurz ein paar Worte.
»Si, si«, machte Hubertus. »Scusi.« Damit war sein italienischer Wortschatz auch schon wieder erschöpft, und er wandte sich in möglichst sachlichem Tonfall Martina zu: »Ich konnte nicht schlafen und saà einfach hier drauÃen. Drinnen war es mir zu heiÃ. Aber wo ihr schon da seid: Ich wollte mich noch kurz mit Marco unterhalten.«
»Was willst du von ihm? Ihm einen Vortrag halten? Dass er mich in Ruhe lassen soll? Das geht dich nichts an, Papa«, wurde Martina schon wieder lauter und provozierte damit ein weiteres »silenzio« des Nachtwächters.
»Scusi«, entschuldigte Hubertus sich erneut für seine Tochter, der er sich sogleich wieder zuwandte: »Erstens bleibe ich auch im Urlaub dein Vater. Zweitens bleibst auch du im Urlaub eine Ehefrau und Mutter. Die Mutter des Kindes, das nun übrigens wieder einmal bei Elke statt bei dir im Arm schläft. Aber drittens â¦Â« â er sah, dass seine Tochter erneut zu explodieren drohte â »â¦Â vertraue ich dir. Und viertens wollte ich mit diesem jungen Herrn über etwas anderes sprechen.«
»Isch bewundere Ihre Frollein Tockter«, beeilte sich Marco zu versichern.
»Ãber etwas ANDERES «, verdeutlichte Hummel nun wieder etwas lauter und schaute sorgenvoll dem Nachtwächter nach, der gerade um die nächste Ecke bog.
Martina sagte nichts mehr, aber ihre Sommersprossen leuchteten gefährlich im Licht des Halbmonds.
»Ich spreche mit Marco nur über unsere Leiche«, fügte Hubertus an und bemerkte, dass seine Aussage etwas unfreiwillig Komisches hatte.
»Buonanotte, Marco«, verabschiedete sich Martina
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