Schwarzwaldstrand
Riesle nun kleinlauter. »Ich räume gerne ein, dass meine Handlungsweise vielleicht etwas eigenmächtig war. Aber ich sage Ihnen, Chef, das ist eine brandheiÃe Story. Es eilt wirklich! Gefahr im Verzug! Und es macht sich für unser Blatt doch gut, wenn wir direkt von dort berichten. Von unserem Auslandskorrespondenten Klaus â¦Â«
»Wir sind nicht die Zeit «, fiel der Redaktionsleiter ihm blaffend ins Wort und drohte mit einer Abmahnung.
Vielleicht hätte Riesle besser auch etwas von einem kranken Kind faseln sollen. Aber das wäre dem Chef sicher genauso herzlich egal gewesen. Riesle bot schlieÃlich sogar an, einen Teil seines Jahresurlaubs für die Aktion zu opfern, um dann entsetzt ins Telefon zu rufen:
»Was? Unbezahlten Sonderurlaub? Chef, das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein!«
Kurz darauf hatte er sich etwas beruhigt und einen Deal mit seinem Redaktionsleiter gemacht. Sollte Riesle tatsächlich den richtigen Riecher beweisen, ein Mord vorliegen und er entsprechend gute Geschichten vom italienischen Campingplatz liefern, deren Beurteilung natürlich ausschlieÃlich dem Redaktionsleiter oblag, könnte er dafür bezahlten Urlaub nehmen. Sollte er jedoch danebenliegen, würde es auf unbezahlten Sonderurlaub hinauslaufen. Und zusätzlich müsste er ein Jahr lang die Terminvorschau der Vereine machen.
»Und die Spesen?«, jammerte Riesle noch vergeblich ins Telefon.
Doch diese Frage ignorierte der Chef einfach: »In zwei Tagen wieder hier. Sonst werden Sie ausgemustert!«
Riesle stand gewaltig unter Druck: Er hatte erklärt, nicht nur zwei, drei Titelgeschichten zum rätselhaften Mord zu generieren, sondern auch eine Serie über Zwangsprostitution im Landkreis und deren Auswirkungen sowie eine weitere Serie über die Urlaubsfreuden der Schwarzwälder, die sich alle auf diesem italienischen Zeltplatz trafen. Das, so hatte Klaus seinem Chef erklärt, würde bei den Abonnenten des Kurier besonders gut ankommen, weil es zeige, wie sehr man sich für die Leser interessiere. Und schlieÃlich müsse man um jeden einzelnen kämpfen.
Kämpfen, das war der Terminus, den der Chef verstand. Und so hatte er nach langem Hin und Her verfügt, dass ein Praktikant Riesles Aufgaben in der Redaktion übernehmen würde. Für zwei Tage. Am dritten Tag, so hatte er laut überlegt, würde er den preiswerten, aber engagierten Praktikanten zu einem weitaus niedrigeren Gehalt als dem Riesles fest einstellen â und Klaus nach drei Abmahnungen feuern. Gründe dafür fänden sich genug â¦
»Was? Wo bist du? Am Gotthard?«, rief kurz danach Hubertus Hummel durchs Handy. »Klaus, du spinnst ja! Und das wird Kommissar Winterhalter natürlich überhaupt nicht gefallen.«
»Tolle BegrüÃung, Mann! Von meinem ehemals besten Freund hätte ich da schon was anderes erwartet. Du scheinst ja mittlerweile nur noch gemeinsame Sache mit diesem Winterhalter zu machen. Ein bisschen hättest du dich ja schon über meine Ankunft freuen können«, schimpfte Klaus. »Ãbrigens habe ich auch eine Ãberraschung für euch dabei.«
Die Ãberraschung saà auf dem Beifahrersitz, schnaufte schwer und döste vor sich hin. Didi hatte die Gunst der Staustunden genutzt. Während einer rasanten Autofahrt mit Riesle wäre an ein entspanntes Schläfchen nicht zu denken gewesen.
»Hör mal, Hummel«, setzte Riesle seine Verbalattacke fort. »Ich hab ein paar brandheiÃe Informationen für euch. Die werde ich aber erst rausrücken, wenn ich mit dir und diesem Hinterwäldlerkommissar ein Abkommen habe. Und das heiÃt: Informationsaustausch. Hörst du, Hummel. A  u  s  t  a  u  s  c  h «, sprach er das Wort langsam und gedehnt.
»Klaus«, versuchte Hummel zu beschwichtigen. »Wenn wir den Fall lösen, bekommst du alle Informationen, die du brauchst. Du solltest aber besser umdrehen. Du kannst hier nichts ausrichten. Und Winterhalter ist nach deinem letzten Artikel nicht gerade gut auf dich zu sprechen.«
Hubertus fühlte sich unwohl in seiner Rolle. Einerseits freute er sich über die Zusammenarbeit mit Winterhalter, den er für einen sehr guten Kriminalisten, einen angenehmen Menschen und vor allem für einen bodenständigen Schwarzwälder Landsmann hielt. Andererseits hatte er Klaus gegenüber ein schlechtes
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