Schwarzwaldstrand
Tatsache, dass Hubertus die Fähre nicht mehr bekommen hatte, zu einer leichten Form von Frustkäufen geführt. Mehrfach hatte Elke versucht, ihren Mann auf dem Handy zu erreichen. Der hatte schlieÃlich mit einer kurzen SMS geantwortet: »Mir ist nicht gut, Hitze, bleibe doch am Wohnwagen. Bussi, Huby.«
Sie hatte sich auf diesen Ausflug wirklich gefreut. Venedig â das war für sie der Inbegriff von Romantik. Und nun fehlte derjenige, der Romantik so bitter nötig gehabt hätte. Andererseits wusste sie, dass Gott Ganesha mitunter wohlüberlegte Schwierigkeiten in den Weg stellte. Wer wusste schon, wozu diese noch gut sein würden â¦
Dass Dietmar und seine Frau nicht viel miteinander sprachen, lag wohl vornehmlich daran, dass Harald sich wie der Reiseführer aufspielte und sich in einem unablässigen Redefluss befand:
»Ach, watt is datt romantisch hier. Und watt bin ich froh, dass wir mitgefahren sind. Wir waren ja immer nur bei âºVenezia by nightâ¹ dabei. Alles vom Campingplatz tippi toppi organisiert. Aber mal so auf eigene Faust fahren, datt hat auch watt von Abenteuer. Nä, Mathylde? Nä, Gordon Harald? Watt sachs du?«
Seine Familie lieà er allerdings nicht zu Wort kommen. Sie war allenfalls dazu da, alles abzunicken und dem »Vatter« recht zu geben.
Didi, dem die SchweiÃtropfen schon über die Nase perlten, hätte die Luft zum Antworten ohnehin nicht gehabt. Schuld war die brillante Idee, einen Kinderwagen für Maximilian mit nach Venedig zu nehmen. Dass er diesen alle paar Hundert Meter über die Treppen der unzähligen Bogenbrücken tragen musste, zwang ihn zu unüblichen sportlichen Höchstleistungen. Zumal Maxi darauf bestand, den Buggysitz dabei nicht zu verlassen.
Auf Hilfsangebote von Dietmar und Harald wartete er vergeblich.
Jedenfalls war nach »all dem Powershoppen jetzt mal ein biscken Zeit für Kultur«, wie Harald lautstark verkündet hatte. Für andere hätte das wohl einen Museumsbesuch oder die Besichtigung des Dogenpalastes bedeutet, für Harald reichte da schon eine Gondel. Der absolute Klassiker.
Gerade mal eine halbe Stunde dauerte die Fahrt, während der sie unter mehreren Dutzend Brücken durchkamen. Die zweiminütige stimmliche Darbietung des Gondoliere zu Beginn bot dabei kaum mehr Kultur als der Gesangsvortrag von Harald am Vorabend.
Beeindruckender war da schon, wie der Mann am Riemenruder es schaffte, einerseits die voll besetzte Gondel durch die schmalen Kanäle zu manövrieren, dabei aber gleichzeitig fast ohne Unterlass das Handy zwischen Ohr und Schulter geklemmt zu haben und mal mit Mama, der Freundin, mal mit einem Stefano, dann wieder mit einem Alessandro zu telefonieren.
SchlieÃlich wurden sie am Canal Grande abgesetzt, wo sich eine asiatische Reisegruppe zugleich dankbar auf die frei werdende Gondel stürzte. Auf ein zweites »O sole mio« hatten sie vergeblich gewartet.
»Freunde, ich hab Kohldampf. Lasst uns dringend mal ân Happen essen«, ordnete Harald als Nächstes an.
Nun kam endlich auch einmal Constanze zu Wort: »Dietmar und ich kennen uns in Venedig aus wie in der eigenen Westentasche. Wir könnten doch alle zu diesem Geheimtipp gehen, oder, Schatz? Da schmeckt das Essen immer hervorragend, und das Preis-Leistungs-Verhältnis ist sehr gut. Was meinst du?«
Dietmar, der ein feines Hemd anhatte und Didi während der Gondelfahrt vergeblich in puncto Lebensversicherung beschwatzt hatte, war nicht ganz so begeistert von der Idee seiner Frau. »Das ist zu weit weg. Da müssten wir mindestens eine halbe Stunde laufen. Lasst uns lieber in den klimatisierten McDonaldâs hier um die Ecke gehen.«
Maximilian und Gordon Harald waren sofort Feuer und Flamme. Doch Elke und Constanze weigerten sich, bestanden auf einheimischer Kost und setzten sich schlieÃlich durch. Didi hatte sich beeilt, seiner Schwiegermutter zuzustimmen â schlieÃlich konnte er derzeit im Kampf um Martina eine solche Verbündete dringend gebrauchen â¦
Sie schoben sich inmitten einer Menschenmasse über die Rialtobrücke, bei der es fast schon verwunderlich war, dass sie der Dauerbelastung standhielt.
Von dort arbeiteten sie sich weiter durch das Viertel San Polo und unzählige Gässchen in Richtung des Geheimtipps vor.
»Dietmaar, Costanza, che gioia, welche Freude!«, wurden sie vom Besitzer des Lokals â
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