Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition)
Zwillinge, würde ich sagen, aber große Ähnlichkeit. Lausebengelgesichter, mit Lachfalten um die Augen und verschmitzten Mündern. Sie tragen immer T-Shirts mit irgendwelchen Anarcho-Aufdrucken, einem roten Stern oder einer Faust gegen Nazis oder so ’n Kram. Das passt irgendwie nicht zu der Ernsthaftigkeit und Seriosität, mit der sie hier Döner, Lahmacun und Falafel verkaufen. Sie sehen eher aus wie zwei Söhnchen, die den ganzen Tag Witze reißen und Bier trinken. Ich mag die beiden.
Als eine Frau mit einer lausigen Dreadlock-Frisur reinkommt und dabei die wackelige Bank ein bisschen zu ruppig gegen die Topfpflanze stößt, schimpft der eine Chef in sehr ernstem Ton mit ihr. Sie solle bitte seine Blume nicht kaputt machen. Auch die Bank wieder ordentlich hinstellen. Bitte. So.
»Gleich morgen früh lasse ich Caltzo und Rubsch ins Präsidium bringen«, sagt der Calabretta. »Hab ich schon veranlasst. Wollen wir doch mal sehen, ob die kurz nach dem Aufstehen auch so abgeklärt sind wie am Nachmittag.«
»Ist’n Versuch wert«, sagt der Faller. »So was kann funktionieren.«
»Vielleicht kriegen wir so zumindest raus, wer deren Verbindungsmann nach draußen ist«, sage ich. Nach allem, was der Faller rausgefunden hat, ist uns inzwischen völlig klar, dass Amy telefonisch über Rubschs Gequatsche vom Hausboot informiert worden ist und sich dann auf die Socken nach Hamburg gemacht hat. Um zu verhindern, dass wir auf der Barkasse was Entscheidendes finden. Hat ja leider auch geklappt.
Ich nehme einen Schluck von meiner Cola und befühle die riesige Beule an meinem Hinterkopf. Ich wüsste gerne, womit die mich so umgedonnert hat.
»Tut’s noch sehr weh?«, fragt der Calabretta.
Ach. Da hab ich woanders echt schlimmere Blessuren.
»Nö«, sage ich, »alles okay.«
Unser Essen kommt. Der Faller lehnt sich gemütlich an die Wand und inspiziert seinen Dürüm Döner.
»Mh«, sagt er. »Avocadosauce.«
Wie der Calabretta immer sagt: Wenn du schlechte Laune hast, musst du was essen gehen.
DAS GROSSE ZEUGENSTERBEN
E s ist kurz nach sieben, der Calabretta und ich stehen im Nebel. Die Karolinenstraße ist abgesperrt. Das Blaulicht von Krankenwagen, Feuerwehr und Polizeistreife erhellt das weiße Messegebäude auf der einen und die roten Backsteinbauten auf der anderen Straßenseite. Am Krankenwagen geht das Blaulicht jetzt aus. Sie ziehen wieder ab. Die Feuerwehr hat den brennenden Streifenwagen zwar löschen können, aber von dem Mercedes Kombi ist nur noch ein verkohltes Wrack übrig geblieben. Jetzt holen sie die Leichen raus. Caltzo, Rubsch, zwei Kollegen von der Streife und einen Justizbeamten.
»Mein Gott«, sage ich.
Der Calabretta sagt nichts, er kämpft gegen seine Wut und seine Tränen. Die beiden Streifenpolizisten waren jung, einer war gerade Vater geworden. Vor ungefähr einer halben Stunde muss eine Art Panzer erst in den dunklen Mercedes und dann in den Streifenwagen gerauscht sein. Alle Insassen waren vermutlich sofort tot. Zack, vorbei. Der Calabretta wischt sich übers Gesicht. Seine Augen sind müde und rot. Einer der uniformierten Kollegen, die zuerst am Unfallort waren, kommt zu uns rüber. Richtig gut geht’s dem auch nicht. Alle wissen, dass die Streifenpolizisten am gefährlichsten leben. Die wissen nie, wo sie reingeraten. Die arbeiten an der Front.
»Keine Spur vom Unfallverursacher«, sagt er, und der Calabretta nickt. »Fahndung läuft weiträumig, aber bisher haben wir nichts.«
Da kommt auch nichts mehr, denke ich. Das waren Profis. So was passiert nicht aus Versehen.
»Hat niemand was gesehen?«, frage ich den Kollegen.
»Um die Uhrzeit ist hier noch niemand unterwegs«, sagt er. »Die Werbeagenturen haben noch zu, und der Rest vom Karoviertel erwacht ja sowieso erst gegen elf.«
Der Kessler und seine Leute packen ihre Sachen aus und tasten sich vorsichtig an den dampfenden Schrott ran. Wir wissen alle, dass sie nichts Verwertbares mehr finden werden. Links neben uns, gleich an der Straßensperre, hält der Leichenwagen. Sie kommen mit Särgen und Säcken.
Irgendjemand wollte nicht, dass Caltzo und Rubsch im Präsidium ankommen, die sollten das Maul nicht mehr aufmachen. Und dieser Jemand hat wohl beste Verbindungen zu einem sehr offenen Ohr in der JVA. Und zu Amy Tucker.
Es ist schon ein Unterschied, ob man nur ahnt, dass eine Sache sehr eklig sein könnte, oder ob sie sich langsam wirklich als supereklig entpuppt.
»Irgendwas ist hier ganz, ganz böse«, sage
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