Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition)
ich Idiot hab immer geglaubt, dass es hier besser ist.«
»Was ist los?«, fragt der Faller.
»Der Herr Senatsdirektor Oenninger ist still und heimlich ersetzt worden«, sagt der Calabretta, »und zwar wohl schon am Freitag. Das Büro ist ausgeräumt, sein Stellvertreter hat sein Amt übernommen. Wo Oenninger steckt, weiß keiner. Der Inceman ist direkt nach Groß Flottbek gefahren und hat nachgesehen, was mit Oenningers Villa ist. Rollläden runter, Blumenkübel reingeräumt, beide Autos weg.«
»Der ist untergetaucht?«, frage ich.
»Vermutlich eher untergetaucht worden«, sagt der Faller, »mit einem dicken Koffer Aufwandsentschädigung.«
»Wer zur Hölle zieht da eigentlich die Strippen?«, frage ich.
»Der Teufel persönlich«, sagt der Calabretta.
Ich halte das für übertrieben. Aber als Neapolitaner darf er solche Vermutungen natürlich anstellen.
Wir setzen uns alle an meinen Schreibtisch, jeder an eine Ecke. Wir rühren Milch und Zucker in unsere Kaffees. Wir wissen, dass wir hier alleine nicht mehr weiterkommen.
Es hat sich ein schwarzes Loch aufgetan, und das Zentrum klafft mitten in der Hamburger Baubehörde. Der Mord an Walt und Lorraine Tucker spielt angesichts des Durchmessers, den dieses Loch inzwischen hat, keine große Rolle mehr.
»Seid ihr bereit, am großen Rad zu drehen?«, frage ich.
»Perché no«, sagt der Calabretta. »Warum nicht?«
»Ich bin raus«, sagt der Faller.
»’tschuldigung«, sage ich. »Hatte ich für einen Moment vergessen.«
Wir trinken unseren Kaffee aus.
Der Calabretta fährt ins Präsidium.
Der Faller fährt nach Hause. Er sagt, wenn ich Hilfe brauche, soll ich ihn anrufen. Und wenn nicht, auch.
Ich klemme mich ans Telefon und versuche, noch für heute Nachmittag einen Termin bei unserem Oberstaatsanwalt zu kriegen.
THE LAST DISKOKUGEL
F rau Riley.«
Der Oberstaatsanwalt schaut mich an, als wäre ich nicht ganz dicht. Er hat mich in sein Büro zitiert. Ich mag dieses Büro nicht. Die Möbel aus schwarzem Holz und Chrom. Die seelenlosen Kunstdrucke an den Wänden. Und die schweren grünen Vorhänge, die immer zugezogen sind. Ich hab in diesem Raum noch nie ein Fenster gesehen. Das Büro des Oberstaatsanwalts macht jedem, der hier auf der falschen Seite des Schreibtischs sitzt, eindeutig klar, wie die Machtverhältnisse in unserem Laden sind. Und dass daran nicht zu rütteln ist.
Normalerweise halte ich mich aus dem Büro des Oberstaatsanwalts fern. Jetzt weiß ich auch wieder genau, warum.
»Ach, Frau Riley.«
Er lächelt und schüttelt den Kopf. Es ist kein freundliches Lächeln.
»Das hat sich alles aufgeklärt.«
»Was hat sich aufgeklärt?«, frage ich.
»Diese fixe Idee von Ihnen und dem Kommissar Calabretta, diese Immobiliengeschichte«, sagt er.
»Ich verstehe nicht …«
»Das war ein riesengroßes Missverständnis«, sagt er. Er hat die Arme auf seinem Schreibtisch abgelegt und die Hände verschränkt. Sein braunes Haar wird langsam dünn, aber noch liegt es pfiffig nach links gescheitelt auf seinem Kopf. Der graue Anzug sitzt tadellos. Das Juristengesicht auch. Manchmal denke ich, der Oberstaatsanwalt ist schon als Jurist geboren worden. Der hat einfach das Gesicht dazu: glatt, kantig, undurchsichtig. Unsympathisch.
»Ein Missverständnis?«
»Jaja«, sagt er und wirkt äußerst zufrieden. »Das hörte sich ja schon komisch an, was Sie mir da erzählt haben, und dann hab ich mich gleich gestern Abend darum gekümmert und mit ein paar Leuten gesprochen.«
»Mit welchen Leuten?«
»Freunden von mir, Frau Riley. Wie Sie sicher wissen, verfüge ich über beste Kontakte ins Rathaus.«
Er lehnt sich zurück und verschränkt seine Hände vorm Bauch.
»Und?«
Ich merke, dass es anfängt, in mir zu kochen. Ich weiß, dass ich mich zusammenreißen muss.
»Ach«, sagt er, »es wird natürlich eine Menge getratscht, Sie wissen schon, gibt ja immer welche, die sich nicht genügend gewürdigt fühlen, und die fangen dann schon mal an, was vom Pferd zu erzählen.«
»Aha.«
Er kommt jetzt richtig in Fahrt.
»Wie dem auch sei, man hat mir versichert, dass ToftingInvest nicht ein einziges Mal bevorzugt behandelt worden ist. Und dass das auch in Zukunft nicht passieren wird.«
»Und das glauben Sie?«
»Frau Riley, ich sagte Ihnen doch: Man hat es mir ver-sich-ert.«
Ich fahre mir mit den Händen übers Gesicht. Das ist doch jetzt nicht wahr, was hier gerade passiert.
»Und was ist mit Senatsdirektor Oenninger? Der ist wahrscheinlich
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