Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition)
mich mit den Füßen an der Kaimauer ab und huste ein bisschen. Dann erst mal: atmen. Ich stehe auf, mache einen großen Schritt übers Wasser, dann bin ich auf der Kaimauer. Ich bleibe noch eine Sekunde dort stehen und kucke mir das brennende Boot an. In der Kajüte, auf dem Kajütenboden, genau da, wo ich eben vorbeigekrochen sein muss, klafft ein Loch. Jemand hat die Holzplanken rausgehebelt. Um an irgendwas zu kommen, das unter den Holzplanken versteckt war. Und dieser Jemand hat mir vermutlich auch so erstklassig eine übergezogen und dann die Barkasse angezündet. Da hab ich mich ja ganz hervorragend übertölpeln lassen.
Ich höre ein Auto kommen und gehe hinter den Büschen in Deckung. Vielleicht kommt da noch mal jemand zurück. Man weiß ja nie. Und ich fühle mich im Augenblick doch etwas wehrlos. Das Auto kommt näher. Ich blinzele durch die Büsche hindurch zur Straße und erkenne den alten Benz schon von weitem. Der Faller.
*
Zu den herausragenden charakterlichen Eigenschaften vom Faller gehört, dass er wahnsinnig altmodisch ist. Das ist manchmal super, zum Beispiel, wenn man deshalb in einem alten Benz ohne vernünftige Sicherheitsgurte durch den Freihafen in Richtung Flughafen heizen kann, statt in einem supermodernen Irgendwasmodell zu sitzen. Manchmal ist es aber auch schlecht, weil der Faller nur ein vorsintflutliches Mobiltelefon besitzt, einen richtigen großen Knochen, mit dem man weder Fotos machen noch welche verschicken kann.
Denn wir haben zwar gerade schon mit den Kollegen am Flughafen in Fuhlsbüttel telefoniert, und die haben uns auch zugesichert, dass eine Amy Tucker unter keinen Umständen das Land verlassen wird, aber das wird uns nicht viel nützen.
»Sie hat schon für den Flug von Kopenhagen nach Hamburg einen falschen Pass benutzt«, sagt der Faller. »Sie ist unter dem Namen Stine Tomasson geflogen.«
Der Flughafen hat uns versprochen, dass auch eine Stine Tomasson unter keinen Umständen das Land verlassen wird.
»Sie wird den Namen nicht noch mal benutzen«, sagt der Faller. »Die ist wahnsinnig, aber dumm ist sie nicht.«
Wäre mein blödes Telefon nicht in der Elbe gelandet, könnten wir eins von Fallers Bildern, die er mit seiner für seinen neuen Job frisch angeschafften digitalen Spionagekamera mit dem Superobjektiv von Amy gemacht hat, abfotografieren und an die Kollegen vom Flughafen schicken. Können wir aber nun mal leider nicht. Das ist echt zum Verrücktwerden. Da hat der Faller doch tatsächlich eine Digitalkamera, und sie nützt uns nichts.
Amy Tucker ist erkennungsdienstlich nicht erfasst. Es gibt kein ordentliches Bild. Nur jede Menge Fotos von diversen Amy Tuckers im Netz. Bringt gar nichts.
»Drücken Sie auf die Tube, Faller«, sage ich, als wir durch Barmbek brettern und der Faller mir in Versatzstücken erzählt, was er weiß: dass Amy wirklich richtig einen an der Rassel hat. Sie ist offensichtlich besessen davon, dass ihr Onkel Walt seinen Bruder, Amys Vater, um sein ganzes Leben beschissen hat. Der Faller konnte nicht rauskriegen, worum genau es gegangen ist, aber da muss entweder sehr viel Geld oder sehr viel Ehre im Spiel gewesen sein. Vielleicht war’s eine Ölquelle, vielleicht war’s eine Frau, das weiß der Faller nicht. Auf jeden Fall hat Amys Vater die ganze Sache nie verkraftet. Die Brüder haben sich zerstritten und bis aufs Blut gehasst, Amys Vater ist darüber zum Säufer geworden und gestorben. Lorraine hat ihrem Mann das nie verziehen. Amy ist wohl vor einem halben Jahr in Hamburg gewesen und hat von Walt eine Entschuldigung gefordert und wahrscheinlich auch Geld. Walt hat sie beschimpft und im Quadrat rausgeschmissen.
Amy hat dann ToftingInvest auf das Haus in Wilhelmsburg aufmerksam gemacht. Sie arbeitet für eine PR-Agentur, die wiederum die PR für ToftingInvest macht. Deshalb kennt sie sich in der Firma gut aus.
»Und?«, frage ich.
»Ich glaube«, sagt der Faller, »dass ToftingInvest nach einiger Zeit die Schläger geschickt hat, so wie das bei denen ja wohl üblich ist. Und ich glaube, Amy wusste das. Vielleicht hat sie sich sogar um die Schläger gekümmert. So läuft das nämlich bei ToftingInvest. Die kümmern sich selbst um gar nichts. Blütenweiße Weste. Die lassen machen. So oder so wird Amy noch ein bisschen Geld draufgelegt haben, damit Caltzo und Rubsch auch wirklich zuhauen. Vielleicht sogar, damit ihr Onkel und ihre Tante sterben. Oder sie war in der Tatnacht selbst in Hamburg und hat ihre Verwandten mit
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