Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition)
nur auf Kur, oder?«
Der Oberstaatsanwalt registriert meinen Ton und dreht sein aufgesetztes Lächeln ein Stück zurück. Dann macht er auf betroffen.
»Ach, der Arme.«
Er sieht mich komplizenhaft an.
»Er hat Probleme mit der Prostata, das aber im Vertrauen, Frau Riley.«
Die Prostata, verstehe.
»Ja, der wollte sich schon ganz lange zurückziehen. Und jetzt musste er sich dann doch dringend in Behandlung begeben.«
»Wissen Sie vielleicht, wo er sich behandeln lässt?«, frage ich. »Im Vertrauen, natürlich.«
Ich kann ein zähes Biest sein, wenn ich will.
Und der Oberstaatsanwalt hat keinen Bock mehr auf unser Theater.
»Das geht Sie nichts an«, sagt er. Er rollt seinen Stuhl wieder ein Stück nach vorne, stützt die Ellbogen auf dem Schreibtisch auf und sein Kinn auf seinen gefalteten Händen und sagt leise, aber unmissverständlich:
»Wir schließen die Akte, Frau Riley. Keine weiteren Ermittlungen.«
»Das können Sie nicht machen«, sage ich.
»Das können wir«, sagt er.
In meinem Bauch liegt etwas, das ist schwer wie Blei und scharf wie Glas. Fühlt sich an wie eine Splitterbombe kurz vor der Explosion.
»Es geht um zweifachen Mord«, sage ich, »und gestern Morgen sind noch mal fünf Menschen gestorben, darunter zwei junge Polisten.«
»Gegen Amelia Tucker läuft ein internationaler Haftbefehl wegen Dokumentenfälschung.«
Ich muss lachen, als er das sagt.
»Mehr haben wir nicht in der Hand, Frau Riley.«
Ein internationaler Haftbefehl ist ja eine super Sache. Klar. Vor allem, wenn jemand in einer südamerikanischen Millionenstadt untergetaucht ist. Total super, so ein internationaler Haftbefehl.
Ich stehe auf, ich muss hier raus, sonst bin ich meinen Job los. Aber wie die Dinge im Moment liegen, wäre das ja vielleicht sowieso besser.
Als ich an der Tür bin, drehe ich mich noch mal um.
»Ja«, sage ich, »dann ist ja alles wunderbar. Von der honduranischen Polizei habe ich bisher auch nur Gutes gehört.«
Er sieht mich an, als wolle er mich mit seinem Blick schlachten.
»Ich erwarte, dass Sie sich an unsere Absprache halten, Frau Riley.«
Unsere Absprache. So ein Bullshit. Ich könnte ihn umbringen.
*
Ich bin so sauer, ich muss im Rinnstein spazieren gehen und Steine kicken, sonst hau ich dem nächstbesten Idioten eine rein. Ich pflüge mit meinen Stiefelspitzen die alten Pfützen, zünde mir eine Zigarette an, und dann biege ich von der Straße ab und laufe über den matschigen Grünstreifen, der zum Bismarckdenkmal führt.
Manche Leute behaupten, das hier wäre ein Park.
Ich lehne mich an den schweren grauen Sockel des Denkmals, rauche noch eine Zigarette und versuche, ein bisschen runterzukommen. Was soll ich mich noch aufregen. Das Thema ist wohl durch.
Der Calabretta müsste gleich hier sein. Ich hab ihn nach meinem Gespräch mit dem Oberstaatsanwalt angerufen und hierherbestellt.
Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es besser ist, wenn wir über unseren Fall nicht mehr am Telefon reden. Ich trau denen inzwischen echt alles zu, wer immer die sind.
Vorsichtshalber zünde ich mir gleich noch eine Zigarette an. Um den Verschwörungstheorien, die sich langsam in meinem Hirn zusammenbrauen, ein bisschen echten Dunst entgegenzusetzen.
Zusammen mit dem Calabretta kommt eine dunkle Wolke hier an, die sich direkt über dem Kopf vom Eisernen Kanzler und damit auch über unseren Köpfen festsetzt.
Der Calabretta sieht müde aus, und er ist mindestens genauso sauer wie ich.
Er brummt nur kurz zur Begrüßung, dann stellt er sich neben mich, lehnt sich auch an den alten Betonbismarck. Und steckt sich auch sofort eine Zigarette in den Mund. Ich kucke ihn von der Seite an. Der hatte wohl einen ähnlich bösen Vormittag wie ich. Fast möchte ich’s gar nicht wissen.
»Wer fängt an?«, fragt er.
»Der Oberstaatsanwalt will, dass wir die Ermittlungen einstellen«, sage ich.
»Schön«, sagt der Calabretta. »Mich hat eben jemand angerufen, der seinen Namen nicht gesagt hat.«
»Was wollte der?«
»Er wollte über das reden, was damals passiert ist, als der Faller auf dem Kiez durchgedreht ist.«
Bumm. Mir werden auf der Stelle die Knie weich.
»Und? Was haben Sie gesagt?«
Der Calabretta weiß nur so halb, was damals wirklich passiert ist. Er weiß gerade so viel, wie er wissen muss, damit wir den Faller schützen können.
»Ich habe gesagt, dass ich nicht darüber reden will. Da hat er gesagt, dass er dann wohl mit jemand anders darüber reden muss.«
»Das darf
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