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Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Titel: Schweig still, mein Kind / Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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waren verloren. Nur das Gefühl konnte sie noch abrufen. Das Gefühl, geliebt zu werden. Dann roch sie das frische Thymianbrot, das Hedwig in dem gemauerten Ofen immer gebacken hatte, und sie schmeckte den weichen, duftigen Teig. Aber sie wusste nicht mehr, wo sie von dem Brot gegessen hatte, in der Küche oder der Stube, und ob sie dabei Gesellschaft gehabt hatte.
    Von jener Nacht dagegen, dem Ende des Himmels, haftete ihr jedes Detail im Gedächtnis. Und jetzt öffnete das Höllentor seinen Schlund erneut, Millimeter um Millimeter. Doch die feurigen Augen dort unten waren nicht nur Bedrohung. Sie waren auch Verlockung. Versprachen Erlösung in der unendlich tiefen Schwärze.
    Sina warf einen letzten Blick auf ihren Vater und verließ das Haus.
    Vielleicht war die Entscheidung ihrer Mutter keine schlechte Alternative gewesen. Vielleicht hätte Sina es ihr gleichtun sollen. Damit hätte sie auch Sühne getan für das, was sie Hedwig angetan hatte.
    Ihre Mutter war nicht gestorben. Sie war untergegangen. Und die Tochter war so sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen, dass sie keine Augen gehabt hatte für das, was die Ereignisse mit dem liebsten Menschen neben ihr angerichtet hatten. Das Raunen auf der Straße. Die Vorhänge, die zugezogen worden waren, sobald sie oder ihre Mutter ein Haus passierte. Die rot beschmierte Hausfassade. Und die anonymen Briefe.
Hure,
hatte darin gestanden.
Verräterin. Kindsmörderin, die du nicht Buße getan hast beizeiten.
Und dieser letzte Brief:
Brut des Bösen. Brut eines Mörders. Der Tod steht Euch gut.
    Bei Hedwigs Beerdigung waren sie dann alle um ihr Grab gestanden, mit frommen Gesichtern. Nicht einer hatte gefehlt. Danach, als Sina begriffen hatte, hatte sie nicht den Mut gefunden, auch ihrem eigenen, langsamen Untergehen ein Ende zu setzen, Hedwig zu folgen.
    Bis heute wusste sie nicht, wer die Briefe geschickt hatte. Aber das war nicht mehr von Bedeutung. Wichtig war nur Felix. Für ihn hatte sie gelebt all die Jahre. Durchgehalten. Ginge sie jetzt fort, so bedeutete das, die Hoffnung aufzugeben. Die Zukunft preiszugeben. Oder war genau das Gegenteil der Fall? Verriet sie ihre Zukunft, indem sie hierblieb?
    Sina erreichte die Kreuzung zur Waldstraße. Ein kalter Wind fegte über den Asphalt und riss letzte gelbe Blätter von den Bäumen.
    Und was würde aus Anton werden? Er würde sich vollends tottrinken. »Scheiß Saufbude«, sagte sie leise und musste an Bruno denken, der bei diesem Ausdruck immer die Arme hochgeworfen und »Eis, Bude, Eis, Bude!« gerufen hatte.
    Sie schluckte, fischte den Ladenschlüssel aus der Jackentasche und bog um die Ecke. Vor dem Eingang stand die Redakteurin.
    »Ich habe meine Möhren und Äpfel gestern nicht bezahlt«, sagte sie mit einem herzlichen Lächeln.
    »Ach, das macht doch nichts.« Sina schloss auf. Die Frau zu sehen, war, als zünde jemand eine warme Kerze in kalter Nacht an. Sie wirkte so lebendig in ihrer eleganten Lederjacke und mit dem hübschen bunten Schal. Kurz blitzte eine vergessene Sehnsucht in ihr auf. Der Hunger nach Leben. Doch wie sollte das gehen? Gab es ein Leben, das irgendwo auf einen wartete? Das wie ein Zug durch die Welt fuhr, bei Sina anhielt und in das sie wieder einsteigen konnte?
    »Netter Mann, der Herr Lavie«, sagte Frau Brock und zog einen pinkfarbenen Geldbeutel hervor. »Was macht das?«
    Sina suchte die Notizen vom Vortag. »Eins neunzig.« David. »Ja, ein netter Mann.« Aber er war weit weg. Zu weit. Sie konnte Felix nicht aufgeben. Niemals.
    »War Renate inzwischen einmal hier?«
    Sina verneinte und fragte sich, ob sie sich mit der Familienfluch-Geschichte nicht lächerlich gemacht hatte. Doch das spielte keine Rolle. »Wissen Sie etwas Neues über Bruno?«
    »Tut mir leid, nein.« Hanna Brock schien verlegen. »Aber die Leute hier … sie scheinen erleichtert zu sein, dass er verhaftet worden ist. Gestern Abend in der
Heugabel
haben sie drüber geredet.«
    Sina sah die Redakteurin an. »Bruno ist ein willkommenes Opfer. Der Trottel, der jedem hilft. Mit dem man alles machen kann. Auch ihm die Schuld geben.«
    »Sie sollten dieses Dorf verlassen.«
    Sina zuckte zusammen. Doch die Frau wollte das Thema offenbar nicht vertiefen. »Woher hat Bruno die eigentlich?«, fragte Brock und strich über eine der Rosen. »So mitten im Winter. Ist das eine besondere Sorte?«
    »Aus dem Wald oder Garten. So genau weiß ich das nicht.« Sie öffnete die Tür zum Lager. »Ich gehe nicht zu Sommers. Brunos Mutter

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