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Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Titel: Schweig still, mein Kind / Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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Hauptkommissar wollte sich eben aufrichten, als er stutzte. Nein, es lag nicht an der Dunkelheit. Sein erster Eindruck hatte ihn nicht getäuscht: Alle Pflanzen standen im Kreis. Überrascht ging er einige Schritte umher. Kleine Kreise. Große Kreise. Doppelt angelegte Kreise. Hexenringe, schoss es ihm durch den Kopf.
    Er kniff die Augen zusammen. Auch im hinteren Teil des Glashauses, wo sich Kübelpflanzen drängten, waren diese kreisförmig aufgestellt. Auf zahlreichen Regalborden standen Gläser, Flaschen und Dosen, akkurat aufgereiht wie Orgelpfeifen. Ehrlinspiel suchte den Boden ab. Wie gehofft lagen zwischen den Pflanzenkreisen einzelne Steinplatten, auf die er treten und von wo aus er an die Hängeborde heranreichen konnte. Er musste die Erde ja nicht unbedingt mit seinen Fußabdrücken pflastern.
    Er hielt ein Glas gegen das schwache Licht, das aus dem hinteren Küchenfenster fiel – und war nicht sonderlich überrascht, als er in der farblosen Flüssigkeit ein kleines Tierskelett erkannte. Eine Maus? Die anderen Gläser bargen ähnlichen Inhalt: Froschknochen, so vermutete Ehrlinspiel, eine Ratte, weitere Mäuse.
Er ist Wissenschaftler.
Offenbar erforschte Bruno mehr als nur Pflanzen, deren Bestandteile und Wachstumsbedingungen.
    Der Hauptkommissar las die Aufschrift auf den Dosen und Plastikflaschen. Chemikalien gegen Ungeziefer und verschiedene Düngemittel. Völlig normal in einem Gewächshaus. Genauso wie der Schrank mit den Spitzhacken und Spaten. Und die große Schublade mit den, ebenfalls nach Größe sortierten, Handharken – und Gartenscheren. Eine war eine Bypass-Schere.
    Er durfte sich nicht zu voreiligen Schlussfolgerungen verleiten lassen. Aber den Technikern konnte er ruhig ein bisschen Arbeit aufbürden.

[home]
10
    I hm fiel keine Erwiderung ein.
    »Hast du mich verstanden?« Sie brachte ihr Gesicht direkt vor seines.
    Manchmal hasste er ihre Augen. Dieses graue Stechen. Das schmale Brillengestell mit den Fenstergläsern darin. Die gehäkelten Stolen, Faltenröcke und den falschen Schmuck, all die Sachen, die alleine sie selbst für elegant hielt und die ein Leben vorgaukelten, das weder ihrem sozialen Status noch ihrem Intellekt und schon gar nicht ihrem Alter entsprachen.
    »Antworte deiner Mutter gefälligst.«
    »Was willst du denn hören?« Er sollte ihre Brille zertreten. Endlich einmal ausrasten. So wie Bruno, wenn er verhasste Dinge einfach vernichtete.
    »Ein Ja!«
    »Ich werde der Polizei nichts über Bruno sagen.«
    »Wir müssen zusammenhalten. Was Bruno getan hat, ist nichts Unrechtes.«
    Hermann Sommer sah seine Mutter scharf an. Er stand unter Schock, obwohl er genau begriffen hatte, was am Mittwochabend geschehen sein musste. Und ihm war klar, dass das Entsetzen erst später in seiner ganzen Endgültigkeit zu ihm durchdringen würde. »Was Bruno getan hat?«, zischte er. »Was hat er denn getan?« Dann senkte er den Blick. »Du solltest nicht so abweisend zur Polizei sein«, sagte er müde. »Dieser Ehrlinspiel ist kein Idiot.«
    »Sag du mir nicht, was ich tun soll.«
    »Streit hilft Bruno nicht, Mutter.«
    »Und was hilft ihm deiner Meinung nach?«
    »Nichts.«
    »Nichts?« Ihre Stimme schnellte nach oben. »Und was soll dann werden?«
    »Ihm wird nichts passieren.« Die Glasscherben ihrer Brille würden ein Muster aus winzigen pyramidenförmigen Löchern in den gewachsten Küchendielen hinterlassen.
    »Ich verlasse mich auf dich!« Ihre Augen wurden schmal.
    »Ja, Mutter.«
    »Gute Nacht.« Sie raffte die Stola eng um ihre Schultern.
    »Gute Nacht.« Hermann sah auf ihre dünnen Waden, die in hautfarbenen Strümpfen durch die Tür verschwanden.
    Resignation und Enttäuschung machten sich in ihm breit. Oft ertrug er es nicht mehr. Zu oft bestimmten Zank und böse Worte das Verhalten seiner Mutter, und nicht einmal der Tod ihrer Tochter und eines ungeborenen Enkelkindes hielt sie davon ab, ihre Herrschsucht auszuspielen – natürlich nur zum Besten Brunos.
    Elisabeth fehlte ihm. Hatte ihm all die Jahre gefehlt. Sie hatte immer Rat gewusst.
    Oft malte er sich aus, dass Frieda tot wäre. Dass Ruhe einkehrte, endlich, und er mit Renate, Anna und Tobi ein zufriedenes Leben führen konnte. Und wer wusste es schon … Womöglich hätten sie ja bald noch mehr Kinder. Hermann wünschte sich eine ganze Rasselbande. Bruno würde er umsorgen wie bisher auch. Und sein Vater Joseph, der bekäme vielleicht endlich die Chance, Gefühle nicht nur zu denken.
    Er schlug den Block auf

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