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Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Titel: Schweig still, mein Kind / Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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und nahm wieder den Stift zur Hand, mit dem er auf der Treppe stehen geblieben war, außerstande, mit der Polizei noch einmal zu reden. Er musste der Öffentlichkeit doch ein paar Worte sagen. Die Menschen beruhigen. Gewalt verlangte eine Stellungnahme. Er war doch der Bürgermeister. Auf den musste Verlass sein!
    Hermann dachte an das Frühjahrsfest vor drei Jahren. An den Tag, an dem er ins Amt eingesetzt worden war. Er dachte an die fröhlichen Gesichter der Leute, die ihm zu Ehren ihre Häuser mit Girlanden geschmückt hatten. Auf dem kleinen Platz vor der Kirche hatte der glatzköpfige Bichler ein Podest gezimmert, trotz seines kaputten Rückens, und die Mädchen hatten sich mit Kränzen in den Haaren im Halbkreis daraufgestellt und mit ihren hellen Stimmen Lieder gesungen. Hilde Mang aus der Pfarrgasse hatte Apfelkuchen und Biskuitrolle gebacken. Und Willi, der gute Willi, war unermüdlich zwischen der
Heugabel
und den Biertischen hin- und hergekeucht, mit rotem Gesicht und in jeder seiner feisten Hände sechs Krüge mit schäumendem Bocksbier. Alle waren sie da gewesen. Hatten getanzt, über Hermanns Jugend und die Verantwortung für die Bürger gescherzt und ihm – dem fortschrittlich Gesinnten, der über den erzkonservativen Örtler triumphiert hatte – auf die Schulter geklopft. Frieda hatte sich stolz unter die Feiernden gemischt. Schüttelte auch den Leuten die Hand, für die sie sonst nichts als Verachtung übrighatte, und lobte ihren Sohn, der nun die Doppelbelastung Hof und Dorfoberhaupt auf sich nahm. Frieda hatte sich in Hermanns Erfolg gesonnt. Was für eine starke Mutter, die einen solch starken Sohn großgezogen hat!
    Hermann bohrte die Bleistiftspitze in das Papier. Er durfte so nicht denken! Du musst Nachsicht üben, ermahnte er sich.
    Sein Blick fiel auf die Blumen. Brunos Blumen.
    Früher war Hermann der Zuwendung seiner Mutter hinterhergejagt. Der kleine Junge war auf die Wiesen gelaufen und hatte leuchtend goldene Blumensträuße für seine Mama gepflückt. Wie sollte er auch wissen, dass sie Löwenzahn für Unkraut hielt?
    Dann war da dieser Muttertag gewesen. Der Morgen, an dem er seinen ersten Kuchen gebacken hatte. Und an dem Frieda seit zweiundfünfzig Stunden ohne Schlaf gewesen war, weil der fünfjährige Bruno pausenlos geschrien und alles zerschlagen hatte, was nicht kreisrund war. Ein unförmiges Herz auf dem Tablett, war Hermann morgens an Friedas Bett getreten, mit Herzklopfen und heißen Backen, in der Gewissheit, dass die Mama ihn heute loben würde. Dass sie erst vor einer halben Stunde, am Rande der Erschöpfung, eingenickt war, hatte er nicht ahnen können.
    Später am Tag, nachdem Elisabeth wortlos für ihn die Krümel weggefegt hatte, war etwas mit ihm geschehen. Seine Schwester, sechs Jahre alt, kroch zu dem Zwölfjährigen hinter den Heuballen, wo er, die Fäuste auf tränenverschmierte Augen gepresst, kauerte.
    »Die Mama hat den Bruno lieb, und ich habe den Hermi ganz doll lieb.« Sie lehnte sich an ihren Bruder und begann zu summen. An die Melodie erinnerte er sich nicht. Aber an die Wärme, die ihn von Elisabeths Seite aus durchströmt hatte. Und daran, dass er irgendwann die Fäuste vom Gesicht genommen hatte und sie sich ein Bett im Stroh gebaut hatten, um nicht ins Haus zurückzumüssen und die Mama wieder zu wecken. In der Nacht hatten sie lange miteinander geflüstert, und Elisabeth hatte ihm erklärt, dass der Bruno nichts dafürkann, dass die Mama ihn so doll mag, und dass sie, Lissi, auch den Bruno liebhat und Hermi das auch tun muss. »Bruno ist lustig.« Woher hatte Elisabeth, die kleine Lissi, diese Klugheit gehabt?
    Am Mittwochabend in der
Heugabel
 … Vielleicht hätte er doch auf seine Schwester hören sollen? Vielleicht hatte sie das Leben besser begriffen als er?
    Nach diesem Muttertag hatten Hermann und Elisabeth oft auf dem Heuboden übernachtet, andere Kinder gesellten sich zu ihnen, und aus sorglosen Kinderfreundschaften war eine verschworene Teenager-Clique geworden. Hermann ihr Anführer. Und Elisabeth die Strategin. Die Clique hatte ihm gegeben, was er bei den Eltern nicht fand: Anerkennung. Innere Heimat. Vor allem, als Renate zu ihnen gestoßen war. Renate, die immer gelassen blieb, die zu ihm hielt und ihn in manchen Momenten in der Seele berührte. Renate, in deren sanftes Wesen er sich schon mit dreizehn verliebt hatte. Seine Frau.
    Er durfte seine Ehe und Kinder nicht in die Katastrophe hineinziehen. Sie waren alles für ihn. Und

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