Schweig still, mein Kind / Kriminalroman
ist?«
»Schie rühren … alles auf. Schie machen alles … kaputt.«
Der Lärmpegel verebbte. Wie am ersten Abend drehten sich alle Köpfe zum Hauptkommissar um.
»Das tut mir leid.« Ehrlinspiel setzte sich gerade hin.
Anton donnerte das Weizenglas neben den Teller, dass das Bier herausschwappte und sich über den Tisch und Ehrlinspiels Hose ergoss. Der Hauptkommissar sprang auf.
Anton hing schief über dem Tisch. »Sch…ina is … keine Kindsmörderin. Aber Schie … Schie bringen Schina um, Schie rühren –!«
»Immer langsam, Herr Vogel.« Ehrlinspiel hob beschwichtigend eine Hand.
»… alles auf. Sch… Scheißpolischei.« Er nahm schwankend sein Glas vom Tisch, musste mehrmals danach greifen. »Hedwisch hat sisch um…gebracht.« Er kreiste mit einer Hand um seinen Kopf, zog diese dann nach oben und verdrehte die Augen. Dann trank er das Glas in einem Zug aus und rülpste laut. »Und isch schaufe. Isch schaufe bischum Tod.«
Sanft auf einen Stuhl drücken, überlegte Ehrlinspiel, trat zu Anton und wollte gerade eine Hand auf dessen Schulter legen, als er aus dem Augenwinkel das Glas auf seinen Kopf zurasen sah. Hat der eine Kraft!, war sein letzter Gedanke. Dann kippte er nach hinten.
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18
E in ziemlich blutiges Dorf.« Hanna Brock blickte auf den grünen Pullover, der im Waschbecken lag.
Doktor Brandt legte einen Mullverband an Ehrlinspiels Stirn und einen zweiten an seinen Hinterkopf an, schloss die Arzttasche und musterte Hanna. »In zehn Tagen können die Fäden gezogen werden.«
Ehrlinspiel grummelte und wollte sich im Bett aufsetzen.
»Liegen bleiben!«, befahl Brandt. »Wir haben Sie nicht hier heraufgeschleppt, damit Sie gleich wieder auf Tour gehen.«
»Wir?« Ehrlinspiel sank in das Kissen zurück.
»Doktor Brandt und Willi«, antwortete Hanna rasch und mit einem flüchtigen Seitenblick zu dem Arzt. »Anton hat Sie ziemlich erwischt. Die Garderobenhaken haben den Rest erledigt.«
»Und was machen
Sie
hier?« Erneut hob Ehrlinspiel den Oberkörper und sah Hanna an.
»Runter«, sagte Brandt. »Oder ich lasse Sie augenblicklich ins Krankenhaus einliefern.«
»Mist«, stöhnte Ehrlinspiel. Er war blass, das T-Shirt an den Schultern blutverklebt und seine Jeans fleckig. Kein einladender Anblick – doch so angeschlagen wirkte er nun gar nicht mehr eingebildet, sondern verletzlich.
Die Rolle gefällt ihm garantiert nicht, vermutete Hanna. Dass sie selbst für einen Moment wie versteinert gewesen war, als die Männer ihr, mit dem Kommissar wie einem leblosen Sack zwischen sich, auf der Treppe entgegengekommen waren, behielt sie für sich. Auch dass sie sofort angepackt und geholfen hatte, ihn aufs Bett zu legen und ihm den blutdurchtränkten Pullover auszuziehen.
Vielleicht war sie nicht sehr umgänglich gewesen vorhin. Aber er hatte sich auch nicht gerade wie ein Gentleman verhalten. Nein, ein Dämpfer würde ihm ganz guttun. Und offenbar war es nicht sein erster: Über seinen linken Ellbogen zogen sich Narben bis in den Ober- und Unterarm.
Von seinen Katzen stammten die mit Sicherheit nicht. »Soll ich Ihnen einen Tee holen?«
»Ich mache das«, sagte Brandt. »Und danach wird geschlafen.«
»Plötzlich so fürsorglich zu dem arroganten Fatzke?«, fragte Ehrlinspiel, als sich Brandts Schritte auf der Treppe entfernten.
Hanna spürte Erleichterung, dass Ehrlinspiel seinen Humor – oder sollte sie es Sarkasmus nennen? – nicht verloren hatte. »Sie versorgen Ihre Katzen doch auch, obwohl die sich auf Ihr Marmeladenbrot setzen, oder?«
Ehrlinspiel lachte und verzog sofort das Gesicht. »Meine Kater sind meine Freunde.«
Sie setzte sich auf den Bettrand. Es schien ihr unpassend, auf den Hauptkommissar hinunterzusehen, und auf dem Stuhl türmte sich ein Haufen schmutziger Wäsche. Hanna musste an Sven denken. Den Jemenurlaub, in dem er – Held, den er spielen musste – samt einer vom Gruppenbegleiter geliehenen Kalaschnikow vom Dach des Jeeps gefallen war und sich den Knöchel gebrochen hatte. Sie hatte ihn selbstlos umsorgt. Die Königin von Saba, Weihrauch- und Myrrhestraßen, prächtige Souks, Silberschmuck … All ihre Pläne hatten sich in der Fürsorge für Sven aufgelöst.
Auf ihre Bedürfnisse zu verzichten war selbstverständlich für sie gewesen. Liebe. Zumindest hatte sie das geglaubt. Doch Sven hatte sich in seinem Ich-Armer-Zustand wunderbar eingerichtet. Liegestuhl, Strand, immer einen frischen Fruchtdrink neben sich und eine Hanna, die ihm den
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