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Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Titel: Schweig still, mein Kind / Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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Unsichtbaren die Relativitätstheorie erklären. Ab und zu hielt er inne und starrte zu Ehrlinspiel herüber.
    Armes Schwein, dachte der Hauptkommissar. Hockt hier und wirft sein Leben weg, während seine Tochter sich im Laden abrackert und aus Verzweiflung, Not und Gier vielleicht zur Mörderin geworden ist.
    Er dachte an den Inhaber der Werbeagentur in Freiburg, der am Donnerstag das Haus seiner Schwiegereltern samt diesen angezündet hatte. War das wirklich erst drei Tage her? Er fühlte sich, als säße er schon eine Ewigkeit hier fest, und mit einem Mal beschlich ihn ein Ekelgefühl. Er sah sich um. Braune Teller. Zerkratzte Gläser. Der fette Wirt mit seinen Schwabbelbacken. Oben lauerte die Raubkatze – die sowieso viel zu zickig war, als dass sie überhaupt mit diesen majestätischen Tieren verglichen werden konnte – und in ihm eine Erkältung. Das Fleisch war zäh und das Gemüse verkocht. Der Kaffee eine laue Brühe.
    Das alles war nicht Ehrlinspiels Ding. Er liebte schicke Restaurants und eine gehobene Küche. Avocadocreme, Saltimbocca mit extra viel Salbei und würzige Käsewürfel aus französischem Comté. Und den Ausklang eines Abends in Idris’ Kaffeebar, wo es immer so herrlich nach frisch gerösteten Mokkabohnen duftete. Die jazzige Stimme von Silje Nergaard im Hintergrund. Oder Diana Krall, deren rauhes Timbre ihn in schwüle Sommernächte trug und an schweißnasse Haut und ausgedehnten Sex bei geöffneten Balkontüren denken ließ. Genauso liebte er auch das andere Extrem: rustikale Kneipen oder Pubs in alten Fachwerkhäusern. Bretonische Musik zu deftigem Eintopf und Guinness. Lockere, vorurteilsfreie Menschen. Aber das hier – sein Blick glitt durch den Raum – war ein stilloses, zusammengewürfeltes Etwas. Garniert mit abgestandenen Küchendünsten und engstirnigen Bauern. Und Ammenmärchen von Rabenmännern. Von der Gemütlichkeit, die er der Kneipe zu Anfang noch zugeschrieben hatte, spürte er nichts mehr.
    Ich werde ungerecht, dachte er, als Willi freundlich lachend an seinen Tisch kam. Auf die Brote hatte der Wirt Essiggurken und Tomatenscheiben gelegt, daneben Salatblätter, auf denen ein hartgekochtes Ei thronte. War Brock an seinem Stimmungstief schuld? Im Grunde war er ja dankbar, dass sie etwas herausgefunden hatte. Lag es also am Kopfweh? Oder an der Tatsache, dass er keine klare Linie in dem Fall erkennen konnte? Willi jedenfalls traf keine Schuld. »Vielen Dank, Herr … Wie ist eigentlich Ihr Nachname?«
    »Nennen Sie mich einfach Willi, Herr Kommissar. Alle sagen Willi zu mir. Meinen Nachnamen kenne ich schon selbst nicht mehr.« Er nickte in den Gastraum, und sein Lächeln ließ seine Backen wie kleine rote Luftballons aussehen. »Ist wohl irgendwo in den Biergläsern der Gäste ersoffen.«
    Wenigstens war auf Willis gute Laune Verlass. Ehrlinspiel aß. Fünf Minuten noch. Er gab Pfeffer auf eine Eihälfte.
    Tatsächlich hatte Hanna Brock es geschafft, Sinas Vertrauen zu gewinnen. Er wusste, dass Gespräche von Frau zu Frau offener waren, als wenn er als Polizist Fragen stellte.
    Anton stand in seiner Ecke auf. Schwankte.
    Ehrlinspiel würde Monika Evers bitten, bei der nächsten Vernehmung Sinas dabei zu sein – denn das mit ihrem Kind mussten sie unabhängig von Johannes klären. Wenn es nicht ohnehin zu einem einzigen Fall zusammenlief. Viel Arbeit.
    Er pfefferte die zweite Eihälfte.
    In seinem Eck hielt Sinas Vater sich kurz am Tisch fest und kam dann in Ehrlinspiels Richtung. Seine Hand umfasste ein Glas.
    »Soll ich dich zum Klo bringen, Alter?«, lachte jemand. Es war das Wieselgesicht.
    »Pissen kannst du aber noch alleine, oder?«, grölte ein anderer, braune Zähne hinter einem Blatt Karten zeigend.
    Fast tat Anton dem Hauptkommissar leid. Sie nahmen ihn nicht ernst, waren nicht fähig zu sehen, welcher Abgrund sich hinter der Alkoholsucht auftat. Sinas Vater war für das Dorf nur noch ein Säufer. Keiner mehr von ihnen, dachte er und beobachtete, wie Anton sich von Tisch zu Tisch zu ihm vorarbeitete. Vor Ehrlinspiel blieb er stehen und krallte sich an einer Stuhllehne fest.
    »Ch…wein«, lallte er.
    »Wie bitte?« Ehrlinspiel sah auf. Hatte Anton »Schwein« zu ihm gesagt? Sollte das der krönende Abschluss des Tages werden?
    »Sch…wein.« Er wackelte mit dem Glas.
    Tatsächlich. Anton wollte Brocks »Arroganter Fatzke!« wohl toppen. Ehrlinspiels Mitleid verflüchtigte sich so schnell, wie es gekommen war. »Und weshalb, wenn die Frage gestattet

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