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Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Titel: Schweig still, mein Kind / Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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sie auf ihr eigenes Elend zurückgeworfen. Ihr war nicht nach Trösten zumute. Sie wollte hinaus. Das Dorf hinter sich lassen. Nachdenken. Eine Zigarette rauchen.
    Sina hob plötzlich die Hand Richtung Tür, und für einen Moment hellte sich ihr Gesicht auf, um dann gleich wieder so hohlwangig auszusehen wie vorher.
    Hanna drehte sich zur Straße um und sah Renate mit den Kindern, die grußlos und mit abgewandten Köpfen vorbeigingen. »Was hat sie? Sie ist doch Ihre Freundin«, fragte Hanna. »Sie können doch nichts dafür, dass Johannes …«
    »Doch«, flüsterte Sina.
    »Was?« Hanna trat unwillkürlich einen Schritt zurück.
Passen Sie auf wegen Sina. Ich halte sie für gefährlich.
»Wie … meinen Sie das?«
    »Auf unserer Familie lastet ein Fluch.«
    »So ein Quatsch. Es gibt keine Flüche. Auf jeden Fall keine wirksamen.« Hannas Neugier erwachte wieder. Ein paar Minuten später aufbrechen … Wen interessierte das schon?
    »Ich bin die Stifterin des Bösen«, sagte Sina hart, doch die Tränen auf ihren Wangen enttarnten ihre Zweifel an den eigenen Worten.
    »Wer behauptet denn so etwas?«
    »Jeder weiß es.« Sie berührte eine Rose. »Ich spüre ihre spitzen Blicke im Rücken. Jeden Tag. Jede Stunde. Ist Ihnen das noch nicht aufgefallen? Mit mir schwatzt keiner auf der Straße. Mir gibt keiner die Hand. Niemand winkt mir zum Gruß. Sogar ihre Köter kläffen mich boshaft an.«
    Hanna konnte sich tatsächlich an keine nette Geste der Dorfbewohner gegenüber Sina erinnern. Außer von Renate. Doch die schien es sich nun auch anders überlegt zu haben. »Was ist das für ein Fluch? Hängt er mit dem Rabenmann zusammen, von dem Sie mir erzählt haben?«
    Sina nickte. Dann berichtete sie. Von dem Kaufmann auf Reisen. Dem Tod ihres Vorfahren Heinrich Vogel, der mit dem Bruder Philipp Vogel dem Reisenden Quartier geboten hatte. Vom Aufknüpfen des unschuldigen Kaufmanns durch das Dorf. Davon, dass er der Rabenmann war. Und nach Opfern verlangte.
    »Und was können
Sie
dafür?«, fragte Hanna und schüttelte sich innerlich vor dem Ammenmärchen.
    »Man munkelt, dass der Philipp den Heinrich erschlagen hat. Brudermord. Philipp hat das Dorf ins Unglück gestürzt. Ohne ihn gäbe es den Rabenmann nicht. Einer meiner Ahnen verantwortet das Leid. So was verzeiht man hier nicht.«
    »Renate denkt aber doch nicht, dass der Rabenmann Johannes getötet hat!« Oder lebte in diesem Kaff wirklich noch ein Aberglaube, der auf subtile Weise Leben zerstörte?
    Sina zitterte. »Er nimmt mir alle«, flüsterte sie. »Einen nach dem anderen. Felix war nur der Anfang.« Sie sah Hanna mit einem Blick an, der ihr Gänsehaut über den Rücken jagte. »Ich will ihn zurück.«
    Die Glocken über der Ladentür bimmelten.
    Hanna fuhr herum. Ein schwarzhaariger Mann eilte herein, rief besorgt »Sina!« und blieb direkt vor dieser stehen, offenbar unschlüssig, was er tun sollte.
    »Was ist denn bloß mit dir passiert?« Er legte eine Hand auf Sinas Arm und musterte Hanna hilflos von der Seite.
    »Alles in Ordnung, David«, schluckte Sina. »Mit mir ist nichts. Einer aus dem Dorf wurde … getötet.«
    Auf dem Parkplatz stand der weiße Lieferwagen.
Lavie – Leben voll Wert. Mit frischen Bio-Produkten
war auf dessen Seite zu lesen. Hanna hatte richtig vermutet. Sina hatte Lavie erwähnt. Herzlich, zuverlässig und ihr bester Kunde. Sie kannten sich seit Jahren. Und anscheinend mochte er sie. Bestimmt war er der bessere Kandidat zum Trostspenden.
    Hanna nickte Lavie zu und ging zur Tür.

[home]
24
    E hrlinspiel blickte kurz auf seinen Lieblingsbaum hinab, der sein rotviolettes Blätterkleid fast vollständig verloren hatte. Durch die Zweige konnte er das begrünte Flachdach des Gebäudes sehen, in dem sich sein Fahrradabstellplatz befand. Ihm fehlte Bewegung.
    Er setzte sich an seinen Schreibtisch, der gemeinsam mit Paul Freitags Tisch ein großes Oval bildete. Wie so oft glich er auch jetzt einem Dschungel, der von Ehrlinspiels schnellem Aufbruch am Donnerstag zeugte. Briefe und Akten mit unerledigten Vorgängen quollen aus der Dokumentenablage, und um die Rechnertastatur lagen Stifte verstreut. Der Flachbildmonitor war mit selbstklebenden Zetteln umrandet. Auf dem Fenstersims standen Topfpflanzen und Tassen. Den Blickfang bildete eine kunstvoll verzierte Schmuckschatulle, auf deren Deckel mit Perlen »B&B-Gourmetbox« appliziert war. Als Ehrlinspiel sie eines Morgens auf seinem Tisch vorgefunden hatte, hatte ein Rezept für seine

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