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Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Titel: Schweig still, mein Kind / Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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harmonieren. Aber das ist nicht die Wirklichkeit. Ich schaffe Trugbilder. Eine verfremdete Welt.
    Illusionen waren eine Sache. Das Leben war eine andere. Ich muss die Realität nehmen, wie sie ist. Mit allen Widersprüchen. Gleichgültigen, liebenswerten und niederträchtigen Menschen. Mein Leben ist ein Austarieren menschlicher Tiefen und Untiefen. Das Leben eines Ermittlers. Auch wenn ich mich eher als
Ver
mittler bezeichnen würde. Als jemanden, der versucht, ein Stückchen Konsens, ein klein wenig Gerechtigkeit in der Gesellschaft herzustellen.
    Ein paar kleine Seen zogen vorbei, die am Rand bereits zugefroren waren.
    Auf einmal musste Ehrlinspiel lachen. Er ertappte sich bei der Vorstellung, statt der Stereoanlage spiele Hanna auf dem Saxophon für ihn. Eine schöne Vision.
    Er bog auf die L 127 Richtung Stegen ab, kramte sein Mobiltelefon aus der Tasche und stellte es in die Freisprechanlage.
    »Brock«, meldete Hanna sich barsch. Sie klang schon wieder sauer.
    »Alles in Ordnung?«
    »Oh, hallo. Ja, alles bestens.« Er hörte sie schnaufen.
    »Nicht böse?«
    »Nur auf die verdammten Schuhe.«
    »Ist der Absatz abgebrochen?« Er sah sie vor sich, wie sie am Sonntag hüftschwingend von der Kirche zur
Heugabel
vor ihm hergestöckelt war. Nur gut, dass sie ihn jetzt nicht sehen konnte. Bestimmt würde sie sein Schmunzeln gar nicht lustig finden. Und es passte auch nicht zu der Situation im Dorf.
    »Es sind die Wanderschuhe«, sagte sie. »Drücken wie doof. Sind Sie schon in Freiburg?«
    »Halbe Stunde noch ungefähr. Hören Sie … also …« Sie hatte ihn gar nicht gefragt, was er wollte.
    »Ja?«
    »Passen Sie auf wegen Sina. Ich halte sie für gefährlich.«
    »Sie machen sich Sorgen um mich?«
    »Wollen wir heute Abend zusammen essen?« Blöde Frage, dachte er, noch während er sprach. Sie würden sich sowieso in der Gaststube treffen.
    »Nur wenn wir uns weit wegsetzen von Anton und seinen schlagkräftigen Weizengläsern.«
    »Ganz in meinem Interesse.«
    »Seien Sie nett zu Bruno.«
    Sie verabschiedeten sich.
    Ehrlinspiel schaltete in den fünften Gang und brauste auf die B 31 nach Freiburg.

[home]
23
    S ina stand hinter dem Tresen, die Augen angsterfüllt auf die Tür gerichtet, wie ein Hund, der nicht wusste, ob das nahende Herrchen die Leine zum Spazierengehen oder zum Schlagen mitbrachte.
    Als sie Hanna erkannte, versuchte sie ein Lächeln.
    Sie weiß schon von Johannes’ Tod, dachte Hanna. Wie alle im Dorf.
    Deswegen verkriechen sie sich hinter ihren gehäkelten Vorhängen und spähen voller Argwohn zu den Häusern ihrer Nachbarn.
    »Guten Morgen.«
    »Hallo«, brachte Sina mühsam hervor.
    »Ich will ein paar Wanderwege erkunden heute«, Hanna zeigte auf ihre Wanderschuhe, »und da bräuchte ich etwas Proviant.«
    Sina starrte sie an, als habe die Hamburgerin verlangt, einen einhändigen Handstand zu machen und dabei einen Strip hinzulegen. Ihre Augen lagen noch tiefer in den Höhlen als sonst, und Hanna dachte, dass Sina jeden Tag um ein Jahr alterte.
    »Verdächtigen sie mich?« Sina klang, als habe sie Bronchitis.
    »Ich?«
    »Die Polizei.«
    »Wieso sollte sie?«
    »Dieser Polizist glaubt doch, dass ich Elisabeth getötet habe. Wegen ihres Testaments. Also bin ich auch Johannes’ Mörderin.«
    Hanna lächelte verbindlich. Bestimmt würde Ehrlinspiel fuchsteufelswild, wenn er sie hier sähe. »Keineswegs. Ich glaube eher, sie verdächtigen Bruno.« Sie nahm zwei Äpfel und ein paar Karotten.
    »Das können die nicht.« Ein unerbittlicher Blick durchbohrte Hanna. Oder war er flehend?
    »Ich fürchte, die können so einiges.« Sie dachte an Ehrlinspiels Drohung mit richterlicher Vernehmung und Gefängnis wegen irgendwelchem Meineidblödsinn.
    »Bruno ist … Er ist einer der wenigen, die mir helfen.« Sina starrte auf einen Strauß weißer Rosen, deren Blütenblätter dunkelrot gesäumt waren.
    »Aus Brunos Gewächshaus?«, fragte Hanna.
    Sina wog Hannas Einkäufe, packte sie in eine Papiertüte und sah auf. »Ich brauche ihn. Er räumt mein Lager ein. Er trägt meine Gemüsekisten. Er erntet meine Äpfel. Er gräbt meine Kartoffeln aus. Er …« Ein heftiges Schluchzen erfasste sie.
    »Bestimmt wird Bruno bald zurück sein. Es ist nur«, sie überlegte fieberhaft, wie das in Filmen immer hieß, »eine reine Routinesache.«
    Sina sagte nichts.
    Hanna packte ihren Proviant in den Rucksack. Der Abend und die körperliche Nähe Ehrlinspiels hatten sie in einen Strudel der Gefühle gestürzt und

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