Schweig still, mein totes Herz (German Edition)

hatte in ihr jedoch den merkwürdigen Impuls geweckt, die Wurzeln ihrer Familien zu erforschen und deren Namen irgendwie wieder reinzuwaschen. Und dann hatte sie zu ihrer Freude von dem Abkommen erfahren, das einer ihrer Vorfahren unterzeichnet hatte.
    Dr. Bearmeat nickte. »Ja. Als Tommy starb und sein Haus in Flammen aufging, haben wir ein historisches Dokument von unschätzbarem Wert unwiederbringlich verloren. Selbstverständlich hat das niemand außer mir so gesehen. Solange Kopien existierten, war es ihnen vollkommen gleichgültig. Damals bestand dieses Archiv mehr oder weniger aus ein paar Kartons, die sich in der Garage meines Dads stapelten. Die Bearmeats sind schon seit Generationen die Bewahrer der Stammestraditionen, also waren meine Leute gewöhnt, sämtliche alte Bücher oder Unterlagen, die sie fanden, an uns weiterzureichen, so, wie sie den Müll wegbringen.«
    Zorn mischte sich in seine Stimme. »Das war in den 1980ern. Alles musste umgebaut werden, glänzend, neu und aus Chrom. Modern. Jeder wollte Modernität. Ihr Erbe war ihnen egal.«
    »Nicht jeder, Dr. Bearmeat.« Sie tätschelte ihm den Arm. »Wenn Sie nicht gewesen wären, wäre all dies verloren gegangen.«
    Das brachte ihn wieder zum Lächeln. »Und Sie werden diese Tradition fortführen. Die Welt über den Pakt in Kenntnis setzen.«
    Mehr noch. Jetzt, da Lena nicht mehr all ihre Zeit in eine mögliche Revision von Elis Urteil steckte, wünschte sie sich plötzlich einen festen Wohnsitz, einen Ort, an dem sie bleiben würde. Ihr gefiel es hier in Cherokee. Die Berge, die so streng und bedrohlich in den Himmel aufragten, fühlten sich wie eine Heimat an. In ihrer Fantasie wurde der Name ihrer Familie dank des alten Abkommens wieder von den Östlichen Cherokee anerkannt und sie nahm eine Stelle als Dr. Bearmeats Assistentin an. Sie konnte sich sogar vorstellen, eine kleine Kanzlei hier in der Gegend zu eröffnen. So könnte sie Recht und Geschichte verbinden und anderen Menschen helfen. Es fühlte sich einfach richtig an.
    Doch dann hatte sie sich die ausgeliehenen Bücher noch einmal genauer angesehen. Dr. Bearmeat hatte recht gehabt, die Bücher über das Abkommen waren tatsächlich seit Jahrzehnten von niemandem mehr ausgeliehen worden. Sechsundzwanzig Jahre lang, um genau zu sein.
    Da hatte Sean Tierney sie sich ausgeliehen. In der Woche, nachdem Tommy Shadwick umgebracht worden war. Und nur wenige Tage, bevor ihr Vater verhaftet und Sean umgekommen war. Daten, die sich ihr unauslöschlich ins Gedächtnis gebrannt hatten.
    Wenn Eli Tommy umgebracht hatte, weil der Stammesälteste sich geweigert hatte, ihm die in dem Abkommen versprochenen Rechte zu gewähren, dann hatte Sean Tierney vielleicht einfach mehr über Elis Motiv erfahren wollen. Weil er verstehen wollte, was seinen besten Freund dazu gebracht hatte, einen anderen Menschen zu töten.
    Das wäre einleuchtend. Nur gab es da diesen Papierschnipsel, den sie, zwischen die Seiten von Dr. Bearmeats Dissertation geklemmt, fand. Eine handschriftliche Notiz, bestehend aus nur einer hingekritzelten Frage: »Kasino?«
    Das Kasino war damals die Haupteinnahmequelle der Hale-Familie gewesen. Vor seiner Verurteilung hatte Eli über Jimmy McSwains Immobilienfirma in das Projekt größere Summen investiert. Tommy Shadwick war gegen den Bau des Kasinos gewesen – was vielleicht auch ein Teil von Elis Motiv gewesen war, obwohl das während des kurzen Prozesses nie zur Sprache gekommen war.
    Aber da Sean Tierneys Notiz zwischen den Seiten mit Landkarten von Qualla Boundary sowie von den Gebieten, die den ehemaligen Sklaven laut dem Abkommen zustanden, steckte, fragte sie sich, ob Sean da nicht möglicherweise auf etwas Größeres gestoßen war.
    Irgendetwas, wegen dessen er getötet worden war. Von ihrem Vater, seinem besten Freund.

32
    Goose schien mit irgendeiner Reaktion auf seine Nachricht zu rechnen, Caitlyn jedoch ging es um Antworten.
    »Wer sind die Hintermänner der Reaper?«
    Er kniff die Augen zusammen. »Das wissen wir noch nicht. Und selbst wenn ich es wüsste, könnte ich Ihnen das nicht sagen. Aber eines kann ich Ihnen verraten.«
    »Und das wäre?«
    »Ich weiß tatsächlich, wo Lena Hale ist. Und ihr bleibt nicht viel Zeit. Poppy hat einen Killer auf sie und Bernie angesetzt; Bernie ist ein Anwärter bei den Reapern, der ihr hilft.«
    »Bernie … Bernard McSwain?«
    »Ja. Er ist Ihr Cousin, stimmt’s?«
    »Ich habe ihn seit Jahren nicht mehr gesehen.«
    »Ich schlage vor, Sie