Schweig still, mein totes Herz (German Edition)
schweben.«
»Einverstanden.« Er stieß geräuschvoll den Atem aus und schwang sich auf die Harley. »Ich kümmere mich um Lena und Bernie. Aber nur so lange, bis Sie dort eintreffen. Wo verläuft dieser Forstweg genau?«
Während der Fahrt über den Berg zurück nach Cherokee wurde Caitlyn das Gefühl nicht los, irgendetwas Wichtiges übersehen zu haben. Das Bindeglied zwischen Lenas Nachforschungen und den Reapern. Aber wie sie es auch drehte und wendete, das Wenige, was sie wusste, wollte einfach nichts hergeben.
Lediglich Lenas Interesse an dem Abkommen schien bedeutsam. Aber weshalb sollte eine Jurastudentin deswegen zur Zielscheibe werden, wenn doch Kopien des Dokuments frei zugänglich waren?
Das Einzige, was Caitlyn dazu einfiel, war, dass kaum jemand die Sprache der Cherokee sprach oder lesen konnte, auch nicht die Bewohner des Reservats. Könnte die Übersetzung aus dem Original eine Neuinterpretation und somit einen neuen Streit um die Rechte der Nachfahren der Sklaven auslösen?
Aber warum deshalb töten? Der Rechtsstreit in Oklahoma lief seit 1985. Nicht gerade kurz und schmerzlos, so, wie die Reaper sonst Geschäfte machten.
Trotzdem. Wenn Lenas Interesse an dem Abkommen wiederum das Interesse der Reaper auf sie gelenkt hatte, war die Übersetzerin möglicherweise der Schlüssel.
Sie bog auf die Acquoni Road ein. Der Parkplatz vor dem Archiv war immer noch leer, drinnen brannte Licht, um dem trüben Januarvormittag zu trotzen. Die Übersetzerin lebte nicht weit weg von hier, es wäre ein Umweg von etwa drei Minuten. Poppy würde Paul nicht hier im Archiv vermuten, also war er hier sicher, und Goose passte auf Lena und Bernie auf.
Sie fuhr am Archiv vorbei. Vielleicht war es nur ihre Neugier, der sie nicht widerstehen konnte, oder vielleicht auch ihr Instinkt. So genau konnte sie es selbst nicht sagen, sondern bloß hoffen, dass sie nicht gerade einen Riesenfehler beging und damit das Leben mehrerer Menschen riskierte. Aber sie durfte sich diese Gelegenheit, das Geheimnis zu lüften, einfach nicht entgehen lassen
Von wegen Forstweg, so ein Mist, dachte Goose, während er mit seiner Harley über den harten, von tiefen Reifenspuren zerfurchten Waldboden holperte. An einer Stelle löste sich etwas von der Maschine, da es aber weder Motorleistung noch Lenkfähigkeit einschränkte, schenkte er dem keine Beachtung. Glücklicherweise war das Motorrad ausreichend gefedert, sodass er keine bleibenden Schäden befürchten musste. Das war allerdings auch kein Trost, wenn ihm bei jedem Felsbrocken, über den er sprang, oder immer, wenn das Motorrad über eine Furche geschleudert wurde, die Milz gegen die Rippen stieß.
Tierney hatte recht – unwegsam wie der Weg sein mochte, führte er doch in wenigen Minuten zum Ziel. Er brach zwischen zwei Hütten durch die Baumreihen. Ein großes zweistöckiges Gebäude stand in der Mitte der Hochebene. Er blieb kurz stehen und rief sich in Erinnerung, was Weasel erzählt hatte. Irgendetwas von einem Leoparden im Haupthaus. Na gut, dann würde er da als Letztes nachsehen.
Da die Sonne bereits westlich von ihm hinter den Bergspitzen verschwunden war, war die Lodge in Schatten gehüllt. Der Wind hatte aufgefrischt und etwas Neuschnee mit sich gebracht. In keiner der Hütten brannte Licht, es drang auch kein Rauch aus den Schornsteinen. Waren Bernie und Lena etwa zu Fuß von hier aufgebrochen? Oder hielten sie sich versteckt?
Er beschloss, die Hütten im Uhrzeigersinn abzuklappern. Das Motorrad parkte er im Leerlauf, nur für den Fall, dass er gezwungen war, schnell wieder zu verschwinden, dann öffnete er die Tür zur ersten Hütte. Er hatte eine kleine Stabtaschenlampe mit lichtstarken LED -Leuchtdioden dabei, winzig, aber effektiv. Ein seltsam muffiger Geruch schlug ihm aus dem Dunkel der Hütte entgegen. Als er den Raum absuchte, sah er einen Ast auf dem Boden liegen, an dem noch Blätter hingen. Dann traf der Lichtkegel auf ein reflektierendes Augenpaar, das gemächlich blinzelte, ehe es seinem Blick entschwand.
Er schwenkte die Lampe und konnte die große Dreizehen-Klaue eines Faultiers erkennen. »Lena? Bernie? Ich bin hier, um euch zu helfen.«
Bis auf das Rascheln eines weiteren in den Schatten verborgenen Tieres blieb es still. Das war ihm Antwort genug. Er knallte die Tür zu und brauste auf der Harley zur nächsten Hütte.
Dieses Mal wurde er vom Brüllen eines Löwen begrüßt, als er die Tür öffnete. Er schlug die Tür zu, ohne auch nur einen
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