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Schweig still, mein totes Herz (German Edition)

Schweig still, mein totes Herz (German Edition)

Titel: Schweig still, mein totes Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. J. Lyons
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diesen Laut von sich, als ob er sterbenskrank wäre, ein leiser klagender Laut. Jedes Mal drehte sich Bernie der Magen um und er hätte am liebsten Reißaus genommen.
    Er konnte das arme Wesen jedoch nicht zurücklassen. Schon gar nicht nach allem, was es durchgemacht hatte – zuerst bei diesem Arschloch mit seinem »Privatzoo« voller wilder Tiere drüben in Pigeon Forge, und dann bei den Reapern, die die Tiere übernommen hatten, als der Besitzer sein Darlehen nicht zurückzahlen konnte. Der Motorradklub hatte sich von den aus ihrem weit entfernten Zuhause geraubten exotischen Tieren eine Menge Geld versprochen. Sie wollten sie Jägern hier in der Gegend als einmalige Abschussgelegenheit anbieten.
    Was hatten sie also getan, sobald sie die Tiere in Käfigen hinten auf einem Tieflader hatten? Geschossen. Das trainiere sie für die Jagd, hatte Poppy gesagt und eine leere Jack Daniels Flasche unter den Wagen gestellt, die er als Ziel anvisierte. Als Glassplitter in den Schimpansenkäfig flogen und sie laut kreischend den Maschendrahtzaun empor bis in die hinterste Ecke flüchteten, hatte er bloß gelacht.
    Bernie liebte Poppy, wie all die Jungs im Klub. Der Klub war seine Familie. Aber genau wie in einer echten Familie konnten die anderen manchmal richtige Arschlöcher sein.
    Möglicherweise stand der Leopard immer noch unter Schock. Vielleicht wollte er deswegen auch nicht fressen oder von seinem Hochsitz runterkommen, auf dem er die ganze Zeit lag und diese fürchterlichen Geräusche von sich gab, bei dem sich Bernie die Nackenhaare aufstellten.
    Er hielt mit dem Pick-up vor der großen zweistöckigen Holzhütte. Die Teddy-Roosevelt-Lodge hatte schon bessere Tage gesehen. Sie war in den 1930ern, im Zuge der damaligen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gebaut worden, in der Hoffnung, dass der neue Smoky-Mountains-Nationalpark Familien anziehen würde. Es gab insgesamt vierzehn Hütten, die sich auf das Gelände am Waldrand verteilten, sowie das zweistöckige Hauptgebäude. Die Landschaft war rau, die Lodge selbst so hoch gelegen, dass sie den größten Teil des Tages in Nebel oder Schatten getaucht wurde. Sie lag am nordöstlichen Rand des Cherokee-Reservats Qualla Boundary, und auf der anderen Seite begann der Nationalpark, sodass keinerlei Chance bestand, weiter anzubauen.
    Der ursprüngliche Besitzer war optimistisch davon ausgegangen, dass die Ruhe und der spektakuläre Blick den Bau einer auf halbem Weg den Berg hinauf gelegenen Lodge zu einer lohnenswerten Investition machen würden, auch wenn man nur auf einer ausgesetzten Straße dorthin gelangte, die den meisten Fahrzeugen ganz schön Probleme bereitete.
    Er hatte sich geirrt. Und so war das Anwesen ein dutzendmal an neue enthusiastische Besitzer verkauft worden und dabei immer weiter heruntergekommen, bis Bernies Vater die Lodge irgendwann im Rahmen eines größeren Geschäfts übernommen und Bernie mit den Worten vermacht hatte: »Hier kannst selbst du nicht mehr Schaden anrichten, als bereits vorhanden ist.«
    Das war das Beste, was er je für seinen Sohn getan hatte. Bernie liebte die Lodge. Es gab weder Nachbarn noch Besucher; niemand wollte die enge, verschlungene Straße entlangfahren, die ins Nirgendwo führte. Wenn ihm das Leben mit den Reapern zu chaotisch oder einfach alles zu viel wurde, dann kam er hierher, um seinen Gedanken und Tagträumen nachzuhängen.
    Er stellte sich vor, wie er die Lodge in ein richtiges Zuhause verwandelte, sich gemeinsam mit einem Mädchen dort niederließ und sie einen Haufen Kinder großzogen, die gemeinsam mit den Tieren und im Einklang mit der Natur aufwuchsen. Die meisten seiner Träume basierten auf Filmen und Fernsehserien, die er als Kind geschaut hatte, alte Schinken aus der Zeit, als selbst seine Eltern noch jung gewesen waren, so wie
Gilligans Insel
,
Tarzan
,
Der Schweizerische
Robinson
,
Dr. Dolittle

    Jetzt bot sich ihm die Gelegenheit, seine Träume zu leben. Zuerst hatte Gott ihm die Tiere geschickt, die er retten und um die er sich kümmern konnte.
    Gestern Abend dann hatte Er ihm auch noch das Mädchen geschickt. Sie war perfekt: klug und hübsch und eine gläubige Frau. Ein paar Mal hatte er sich an die Tür gelehnt, einfach nur dagestanden und ihren Gebeten gelauscht, und dabei waren ihm Tränen über die Wangen gelaufen. Er hätte nicht sagen können, warum er weinte; wahrscheinlich, weil er endlich begriff, was es bedeutete, wenn die Leute davon sprachen, dass der Heilige Geist über jemanden

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