Schweig still, mein totes Herz (German Edition)
gepasst.
Die Strafanstalt Butner Eins war eine von mehreren Einrichtungen mittlerer Sicherheitsstufe hier auf dem Areal und machte wirklich etwas her. Wäre der doppelte, dreieinhalb Meter hohe und mit Stacheldraht bewehrte Zaun nicht gewesen, hätte das Gebäude auch als ein Firmensitz mit ambitionierten Öko-Standards durchgehen können.
Der Hof hinter dem Verwaltungsgebäude wurde von Baumreihen und Hecken gesäumt, in denen jeder Busch zu einer ordentlichen grünen Kugel getrimmt worden war. Große Rasenflächen trennten die Wohntrakte voneinander, die alle nach Universitäten entlang der Atlantikküste benannt worden waren. Auf dem weitläufigen Freizeitgebiet gab es eine Bocciaspielfläche, eine Laufstrecke, ein Baseballfeld und ein Schwitzhaus für die zahlreichen hier untergebrachten indianischen Insassen. Der einzige Unterschied zu einem Trainingslager für Elitesportler war das Dach aus Maschendraht, das Fluchtversuche mit dem Hubschrauber verhindern sollte.
Sie parkte vor dem Verwaltungsgebäude und fragte sich, ob die Indianer Eli Hale manchmal das Leben schwer machten. Immerhin war er ein Schwarzer, der auf brutalste Art und Weise einen Stammesältesten der Östlichen Cherokee umgebracht hatte, indem er ihn zu Tode geprügelt und anschließend sein Haus niedergebrannt hatte. Möglicherweise glich der Alltag hier drinnen doch weniger einem Aufenthalt im Country Club, als die hübschen Zierbüsche und sanft geschwungenen Wege vermuten ließen. Ein wenig hoffte Caitlyn sogar darauf, zumindest das neunjährige Kind in ihr.
Ohnehin fragte sie sich, wie man wohl bei Verstand blieb, wenn man für den Rest seines Lebens weggesperrt worden, war, egal wie schön die Umgebung war. Selbst nach fünfundzwanzig Jahren war Hale jetzt erst Ende Fünfzig, es lagen also noch viele Jahre vor ihm. Viel Zeit, um darüber nachzudenken, was er verloren hatte. Wie er seinen besten Freund verraten hatte. Und darüber, was er Caitlyn und ihrer Mutter genommen hatte.
Jessalyn hatte den Tod ihres Mannes nie überwunden. Soweit Caitlyn wusste, hatte es seither nie einen anderen gegeben. Sie verließ die vertraute Heimat, um Caitlyn weit weg von den schlechten Erinnerungen aufzuziehen, gab alles auf, um Caitlyn einen neues Leben zu bieten.
Und all das wegen Eli Hale. Caitlyn atmete tief durch, versuchte, den Anflug von Bitterkeit im Keim zu ersticken, bevor er sie wie billiger Tequila benebeln würde. Beim nächsten Atemzug rief sie sich in Erinnerung, dass sie Bundesagentin war und den Weg auf sich genommen hatte, um einen Gefangenen zu befragen. Nicht mehr und nicht weniger.
Sie steckte ihre Ausweispapiere in die Tasche ihres Blazers, die Dienstwaffe ins Hüftholster, alles andere wanderte in den Kofferraum. Dort hatte sie eine Schließkassette an den Fahrzeugrahmen geschraubt. Nicht so schön wie der Waffenschrank ihres Vaters, aber immerhin eine zusätzliche Diebstahlsicherung. Mobiltelefone waren im Gefängnis nicht erlaubt, also blieb ihr Handy auch im Wagen, zusammen mit ihrer Brieftasche, dem kurzen Ledermantel, der Ersatzwaffe und ihrer kleinen Reisetasche.
Es war erst kurz nach zehn, also noch früh, aber bis sie die Formalitäten hinter sich gebracht haben würde, konnte es eine Weile dauern. Da die offizielle Besuchszeit erst nachmittags begann, musste man Wachen abziehen, die Hale zu ihr brachten, und das kostete Zeit. Deswegen hatte der Gefängnisleiter den Besuch wahrscheinlich auch mit Hales Rücktransport aus dem Krankentrakt in seine Zelleneinheit zusammengelegt. Offenbar eine effizient geführte Anstalt.
Der Wachmann am Empfang schien das nicht so zu sehen. Nachdem sie alle Formulare ausgefüllt und ihm ihren Ausweis gezeigt hatte, grunzte er nur unwirsch, ohne sie anzusehen. Seine volle Aufmerksamkeit galt dem Monitor und der Tastatur direkt vor ihm.
»Wir sind überbelegt und unterbesetzt«, beantwortete er ihre unausgesprochene Frage in vorwurfsvollem Ton, als sei es an ihr, sich zu entschuldigen und ihn verdammt noch mal in Ruhe zu lassen. »Sie werden warten müssen.«
»Wie lange?«, fragte Caitlyn. Die Empfangshalle füllte sich allmählich mit Familien, die sich für die Besuchszeit anstellten.
»Hören Sie, Lady, Sie können entweder hier warten oder in einem der Räume für Verhöre.«
»Dann lieber dort.« Besser als hier, wo sie sich die Beine in den Bauch stand, den verärgerten Blicken der Frauen und den Bazillen ihrer kleinen Rotznasen ausgesetzt war. Ein weiterer Nachteil von Paul –
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