Schweig still, mein totes Herz (German Edition)
brachte sich in ihr Leben ein.
Bis Mom und Vonnie umkamen. Auf dem Weg zu ihm. Und Lena zurückließen. Mutterseelenallein. Da erkannte sie, was für eine Farce das alles gewesen war. Dennoch klammerte sie sich weiterhin an den irrigen Gedanken, sie könne diejenige sein, die Eli retten und dafür sorgen würde, dass ihm Gerechtigkeit widerfuhr.
Wie dumm von ihr. Mit Gerechtigkeit hatte das überhaupt nichts zu tun gehabt. Nach dem Tod ihrer Mutter und ihrer Schwester hatte sie einfach wieder Teil einer Familie sein wollen. Doch das hatte sie inzwischen aufgegeben. Lebenslänglich blieb nun mal lebenslänglich. Und ihr Vater würde nie etwas anderes sein als das, was er war: ein Mörder, der nur dann für sie greifbar war, wenn er genügend Punkte für eine Besuchserlaubnis gesammelt hatte.
Lena hatte gedacht, dass sie inzwischen abgehärtet wäre. Stark genug, um ein Leben alleine zu meistern. Sie hatte zur Heldin in dieser Familie werden wollen. Wenn sie schon nicht den Namen ihres Vaters reinwaschen konnte, dann doch zumindest den Ruf der Familie zurückgewinnen.
Auf diese Idee war sie gekommen, während sie den Fall der ehemaligen Sklaven recherchiert hatte, der vor verschiedene Bundesgerichte gegangen und bis vor das Oberste Gericht der Cherokee gekommen war.
Als Lena den Hale-Familiennamen auf der Liste der Sklaven entdeckt hatte, war mehr daraus geworden. Eine Möglichkeit, die Familie aufzuspüren, von der sie gar nicht gewusst hatte, dass es sie gab. Diese Verbindung war für sie von großer Bedeutung, ein Vermächtnis. Etwas, das sie irgendwann einmal an ihre eigenen Kinder weitergeben könnte. Etwas, das bewies, dass sie doch nicht ganz alleine auf der Welt war.
Das zwanghafte Schaukeln ließ langsam nach. Auch ihre Tränen versiegten irgendwann. Als Lena sich etwas beruhigt hatte, wurde ihr klar, dass das Dröhnen um sie herum nicht von ihrem Pulsschlag herrührt, sondern das Geräusch von vielen kleinen Fäusten war, die auf die Außenwand einschlugen. Zuerst noch wie wild, jetzt aber langsamer, leiser. Als ob die Schimpansen auf der anderen Seite ihr dadurch ihre Angst nehmen wollten.
Vielleicht hatte man auch sie unter Drogen gesetzt und verschleppt. Wenn sie doch nur irgendeine Orientierung hätte, wie lange sie bereits hier drinnen war. Sollte sie länger als ein paar Stunden bewusstlos gewesen sein, konnte man sie überallhin gebracht haben.
Sie kroch wieder zu dem Loch in der Wand und versuchte dabei, so wenig Lärm wie möglich zu machen, um nicht wieder die Schimpansen aufzuschrecken. Waren sie gemeinsam in einer Art Zoo gefangen? In der Gewalt irgendeines geisteskranken Tiersammlers und Serienmörders?
Oder war sie an einen Ort mit freilaufenden Schimpansen gebracht worden?
Der Blick durch die Öffnung nach draußen bot nur wenig Anhaltspunkte. Es war schon dunkel, im Mondlicht konnte sie allerdings die Bewegungen von zwei, drei, nein vier Schimpansen ausmachen.
Zumindest wusste sie nun, dass es Nacht war. So konnte sie die Tage zählen.
Die Luft war kalt, sie roch nach Weihnachtsbäumen, Holzfeuer und Schnee – genau wie in Evergreen, wo sie aus dieser Biker-Bar entführt worden war. Sie hätte da niemals reingehen sollen, aber der Mann, den sie suchte, arbeitete nun mal dort, und sie hatte endlich Antworten bekommen wollen. Zitternd schlang sie die Arme um den Oberkörper, dieses Mal, um sich zu wärmen. Immerhin befand sie sich nicht in irgendeinem Lager eines afrikanischen Warlords.
Auf sich allein gestellt war sie jedoch trotzdem, ohne Hoffnung auf Rettung – niemand würde nach ihr suchen –, und ohne eine Antwort auf die drängendste aller Fragen: Warum war sie entführt worden?
Ein letztes Schluchzen drang aus ihrer Kehle, dann sank sie erschöpft zu Boden. Sie schlug sich eine Hand vor den Mund, nicht aus Angst, von ihren Kidnappern gehört zu werden, sondern weil sie fürchtete, nie wieder die Kraft zu finden sich aufzurappeln, wenn der Wehlaut erst von den Wänden ihres winzigen Gefängnisses widerhallte.
Bitte, Herr
. Aus Angst, Er könne nicht antworten, wagte sie nicht, die Worte laut auszusprechen. Doch ihr Verstand formte sie trotzdem. Ihr Glaube und ihre Gebete hatten sie ihr Leben lang begleitet. Ihr über den Tod von Vonnie und ihrer Mutter hinweg- und durch jede Widrigkeit im Leben hindurchgeholfen – sogar die Wut auf ihren Vater gelindert, der sie allein gelassen hatte und jetzt im Gefängnis verrottete, ein verschwendetes Leben. Weil er kaltblütig einen
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