Schweig still, mein totes Herz (German Edition)
Mann umgebracht hatte.
Bitte, Herr. Hilf mir
. Die Worte wirkten kläglich und schwach, zu schwach, um Ihn je erreichen zu können.
Aber dann geschah das Wunder. Während sie auf dem Boden lag, das Gesicht in Richtung Himmel erhoben, mit salzigen Tränenspuren auf den Wagen, kam eine lederne Hand durch die Wand und tätschelte ihr tröstend die Wange. Sanft, zärtlich, als wäre sie ein Baby.
Lena sog scharf den Atem ein und erstarrte. Die Angst war fort – obwohl es sich um ein wildes Tier, handelte. Ein Tier, das vielleicht Krankheiten übertrug und das stark genug war, um ein Loch in die Wand zu schlagen, die sie selbst nur in stundenlanger Arbeit hatte durchbrechen können. Der Affe konnte ihr glatt den Arm abreißen.
Doch der Schimpanse riss überhaupt nichts ab und richtete auch sonst keinen Schaden an. Stattdessen streichelte er sie, spendete Trost. Durch die Wand drang melodisches Summen zu Lena durch, wie von einer Mutter, die ihr Kind in den Schlaf singt. Der Affe war wohl ein Weibchen.
Gott hatte ihre Gebete erhört. Wieder einmal. Langsam hob Lena die Hand, um die der Schimpansin zu streicheln. Dann setzte sie sich vorsichtig auf. Das Loch in der Wand war zu klein, um den Affen sehen zu können, solange der seinen Arm hindurchstreckte. Warum dann nicht das Tier um Hilfe bitten, es zu vergrößern?
Sie hielt die Hand der Schimpansin, als ob sie einen Handel besiegeln würden, streichelte mit der anderen Hand das Fell, damit das Tier ihre guten Absichten erkannte und führte die kleine Hand dann wieder zurück durch die Wand, zur äußeren Holzverkleidung.
»Wenn ihr das hier abzieht, dann erledige ich den Putz«, sagte sie, legte die Finger der Schimpansin um den Rand der Öffnung und ahmte eine Abreißbewegung nach. »Dann können wir uns gemeinsam um den Draht kümmern.« Sie hoffte, dass sie, sobald das Loch groß genug war, zu der Stelle vorstoßen konnte, an der der Draht verankert war und ihn dann ablösen könnte. Möglicherweise würde ihr sogar etwas einfallen, wie sie ihn als Waffe gebrauchen konnte.
Die Schimpansin fasste wieder nach ihrem Arm. Sie führte ihn zurück zur Holzverkleidung. »Wenn du helfen willst, dann ist das der beste Weg. Dann können wir herausfinden, wo wir sind und von hier verschwinden.« Ihr kam in den Sinn, dass die Schimpansen wahrscheinlich auch irgendwo entführt worden waren. Denn wer hielt sich Schimpansen mitten in den Smoky Mountains von North Carolina? »Wir können uns gegenseitig helfen.«
Die Schimpansin, sie entschied, sie Smokey zu nennen, ließ ein fröhliches Keckern hören und hämmerte in wilder Freude auf die Verkleidung ein.
»Nein, nein, nicht so«, sagte Lena, schob den eigenen Arm so weit es ging durch die Öffnung und drückte gegen die abgebrochene Ecke der Verkleidung. Das Holz dort war alt und spröde genug, dass sie ein weiteres Stück wegbrechen konnte, allerdings bohrte sich dabei ein Splitter in ihre Hand.
Ehe sie die Hand zurückziehen konnte, hatte Smokey sie schon ergriffen. Hielt sie sanft umfangen. Lena versteifte sich. Hoffentlich hielt der Affe sie wegen des Blutes nicht für sein Abendessen. Doch die Schimpansin gab ein leicht klagendes Geräusch von sich, als fühle sie Lenas Schmerz mit.
Lena zog die Hand wieder nach innen. Smokeys Finger kamen ihr nach, krallten sich an den Rand des von Lena gerade bearbeiteten Holzstücks. Dann zog die Schimpansin daran, und der Rest des Brettes brach ab. Der Affe schob das Gesicht vor die vergrößerte Öffnung, schien aber enttäuscht, dass er immer noch nicht zu Lena durchkam.
Lena entfernte den Splitter aus ihrer Handfläche und saugte an der Wunde. »Mach das noch mal, Mädchen«, ermutigte sie die Schimpansin. »Na los, lockere noch eine Platte.«
Smokey wimmerte leise und schnüffelte an dem Draht, der sie beide trennte. Aber ihre Finger tasteten schon nach dem nächsten Stück Holzverkleidung.
»Zieh einfach dran. Du schaffst das«, spornte Lena sie an.
Eher durch ihren Ärger als durch Lenas Worte angestachelt, brach die Schimpansin das nächste Holzstück ab. Nicht schlecht. Zumindest wusste Lena jetzt, dass es ging – sobald sie sich erst einmal von innen durch Putz und Draht gearbeitet hatte. Da die Schimpansin die Öffnung vergrößert hatte, gab es ohnehin kein Zurück mehr. Wenn es erst einmal hell wurde, würden ihre Entführer das Loch bemerken.
Ihr blieb nur diese eine Chance. Lena stürzte einen Proteinshake hinunter, um sich zu stärken und weil sie die
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