Schweig still, mein totes Herz (German Edition)
Flasche als Werkzeug benutzen wollte, dann machte sie sich von neuer Hoffnung beflügelt an die Arbeit.
13
Caitlyn folgte der Route 19 durch Evergreen hindurch bis zur Stadtgrenze am südöstlichen Ausläufer des Cherokee-Gebiets, auf dem sich das
VistaView Kasino
befand. Das hoch aufragende Hotel war mit seiner aufwändigen Beleuchtung nicht zu übersehen.
Den Parkdienst des Hotels, vor dem sich bereits eine Schlange von Town Cars und Mercedeslimousinen gebildet hatte, ließ sie links liegen und suchte sich stattdessen in der Tiefgarage selbst einen Parkplatz. Hier unten, direkt neben einem Ford F 250 mit herabhängender Stoßstange und einem Jeep Cherokee, schien ihr der Subaru besser aufgehoben. Fahrzeuge, die für die engen Kurven einsamer Bergstraßen entwickelt worden waren.
Als sie gerade dabei war, Elis Unterlagen im Kofferraum zu verstauen, fuhr ein gepanzerter Transporter an die Laderampe des Kasinos heran. Zwei Sicherheitsbeamte des Kasinos traten aus einem Hintereingang, sie zogen Rollwagen mit Säcken voller Kleingeld hinter sich her. Der Wachmann von der Sicherheitsfirma stand daneben, blickte aber auf die Uhr anstatt die Umgebung im Auge zu behalten. Verständlich – wer würde auch mehrere Hundert Kilo Kleingeld stehlen wollen?
Sie schnappte sich ihre Reisetasche und machte sich auf den Weg zu den vielen Fahrstühlen, die ins Kasino führten. Sobald die Türen sich mit leisem Zischen hinter ihr schlossen, bekam die Luft eine neue Qualität. Es prickelte in ihrer Nase, sie atmete tief durch und fühlte sich bald ein klein wenig berauscht.
Der Fahrstuhl brachte sie zum zwei Stockwerke höher gelegenen Empfangsbereich. Im Hotel selbst verstärkte sich das Gefühl aus dem Fahrstuhl noch, sie schien voll neuer Energie. Ein leicht metallischer Geschmack kitzelte sie am Gaumen, die Luft schmeckte nach Ozon.
Die Klimaanlage pumpte zusätzlichen Sauerstoff in das Gebäude, das war es. Damit die Spieler durch diesen kleinen Extrakick länger an den Tischen und den Automaten blieben.
Aus dem Aufzug trat sie direkt in eine große Lobby voller Spielautomaten. Je weiter sie sich von den gut beleuchteten Fahrstühlen entfernte, desto schummeriger wurde das Licht, bis sie nur noch die umherwirbelnden Leuchtanzeigen der Automaten mit den zusammengekauerten Spielern davor wahrnahm. Es war nicht so laut, wie sie gedacht hätte, die meisten Geräusche wurden von dem dicken dunkelroten Teppich geschluckt. Irgendwo in diesem Labyrinth schrillten zwei Jackpotsirenen.
Die Zynikerin in ihr fragte sich, ob es reiner Zufall war, dass zeitgleich mit der Ankunft von Gästen Jackpots signalisiert wurden. Sie war nie zuvor in einem Kasino gewesen, also nahm sie sich Zeit, die Spieler zu betrachten, während sie an den Automaten vorbeischlenderte.
Die meisten waren älter, als sie erwartet hätte. Im Rentenalter. Viele von ihnen amerikanische Ureinwohner. Was für eine Ironie, denn gerade ihnen sollte das Kasino doch eigentlich Gewinn bescheren und nicht das Geld aus der Tasche ziehen. Caitlyn konnte nichts von dem Glanz erkennen, der solche Spielstätten in Hollywoodfilmen umgab; diese Menschen verzogen angespannt das Gesicht, zerrten an den Hebelärmen und tippten auf die Knöpfe, als hinge ihr Leben davon ab.
Sie erreichte die Rezeption und betrachte erstmals die Inneneinrichtung. Sehr kitschig, wie aus den 80er-Jahren, aber das Kasino war ja auch 1990 gebaut worden, in jenem Jahr, in dem sie und ihre Mutter aus Evergreen weggezogen waren. Statt großer Lüster hingen Lichtschläuche an der Decke. Die vielen Spiegel fingen das Licht auf, ohne es zu verstärken. Abgerundet wurde das Ganze durch eine samtige Damast-Tapete, die in denselben Rot- und Goldtönen gehalten war wie der Teppich.
Caitlyn war immer davon ausgegangen, dass das
VistaView
der indianischen Tradition Rechnung tragen würde, aber genau das Gegenteil war der Fall: Alles war in Glas und Chrom gehalten, Holz war überhaupt keines verwendet worden. In den Glasvitrinen war auch keine Handwerkskunst aus der Gegend ausgestellt, sondern teure Designerkleider, die Einkaufswillige in das angrenzende Atrium locken sollten.
Als wäre Vegas in die Berge von North Carolina versetzt worden, hörte sie Onkel Jimmy das Projekt gegenüber Geschäftspartnern anpreisen. Weshalb sollte Nevada das ganze Geld und den Glamour für sich allein haben?
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte die Empfangsdame am Tresen.
»Ja. Es liegt eine Reservierung für mich vor. Unter
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