Schweig still, mein totes Herz (German Edition)
gehört.«
»Was denn herausfinden?«
Er zog die Schultern hoch und zuckte sogleich vor Schmerz zusammen. Sein Gesicht war ganz rot und Lena fragte sich, ob er vielleicht Fieber hatte. So ein Leopard konnte schließlich wer weiß was für Bazillen mit sich herumtragen.
»Warum halten Sie Leoparden und Schimpansen hier oben in den Bergen?«
»Ich habe die Tiere gerettet.« Er lächelte wie ein kleiner Junge am Weihnachtsmorgen. »Die Reaper wollten sie freilassen und dann Jägern Geld abknöpfen, damit sie sie schießen dürfen. Also habe ich sie mir geholt. So wie ich Sie auch da weggeholt habe. Hier haben sie ein neues Zuhause.« Sein Lächeln erstarb. »Nur der Leopard macht mir Sorgen. Will einfach nicht fressen. Und die Schimpansen sind schon in der ersten Nacht ausgebrochen – seitdem rennen sie überall herum und ärgern mich.«
Seine Fürsorglichkeit den hilflosen Tieren gegenüber – na ja, offensichtlich nicht ganz so hilflos, wie Bernie angenommen hatte – machte ihn ihr wieder sympathisch. Und sie einer Rockerbande vor der Nase wegzustehlen? Er hatte wirklich eine Menge riskiert, um die Tiere zu retten. Genau wie er sein Leben für sie riskiert hatte. »Und dass der Leopard frei herumläuft, beunruhigt Sie nicht? Wenn er nun einen Menschen anfällt?«
»Hier oben auf dem Berg ist doch niemand. Er würde sich bis auf die andere Seite des Waldes durchschlagen müssen, um zur Forellenzucht zu kommen, unter der das Tierney-Haus liegt, und dann ist da natürlich noch das alte Haus von Ihrem Vater.« Er rutschte nervös auf seinem Stuhl herum. »Ich habe gelesen, dass es nachtaktive Tiere sind, also hoffe ich, dass er zu dem Fleisch zurückkommt, das ich in die Hütte gelegt habe. Die Tür habe ich offen gelassen. Vielleicht kann ich ihn dort wieder einsperren, ehe er zu Schaden kommt.«
»Leoparden fressen doch keine Schimpansen, oder etwa doch?«, fragte sie besorgt, weil sie Smokey seit gestern Abend nicht mehr gesehen hatte. Sie sprang auf und rannte zum Fenster. Bis auf den Schnee, der vom Wind in weißen Wirbeln über den Rasen getrieben wurde, bewegte sich da draußen überhaupt nichts.
Bernie kämpfte sich ebenfalls hoch und stellte sich neben sie. »Nein. Ich denke nicht.«
Er klang nicht recht überzeugt. Sie betrachtete ihn prüfend. Er war irgendwie anders als die Kerle, mit denen sie normalerweise Zeit verbrachte. Nicht dumm. Nur … schlicht. Unschuldig. Wie ein Kind.
Dann fielen ihr die Schweißperlen auf seiner Stirn auf. Sie fühlte mit dem Handrücken die Temperatur an seiner Wange. Heiß. Viel zu heiß. Er wandte das Gesicht ab, schien zu erröten – oder kam das vom Fieber?
»Tut mir leid, dass ich Sie da mit reingezogen habe«, murmelte er und sank gegen sie. Sie schaffte es gerade so zum Bett, wo sie ihn behutsam hinlegte. »Ich hätte wissen sollen, dass ich es vermassele.« Seine Augen schlossen sich flatternd.
»Bernie. Aufwachen. Bernie!«
Keine Reaktion. Jetzt war sie auf sich allein gestellt. Ohne zu wissen, was hier überhaupt vor sich ging, wo sie Hilfe suchen sollte – oder wem sie trauen konnte.
27
Als Caitlyn wieder im
VistaView
ankam, fand sie Paul noch genauso vor, wie sie ihn zurückgelassen hatte – er saß vollkommen auf seinen Laptop konzentriert im Restaurant im Erdgeschoss des Hotels. »Wie sich herausstellt, ist diese Sache mit den Nachfahren der Sklaven ein richtig großes Ding«, begrüßte er sie, als sie neben ihm auf die Sitzbank der kleinen Essnische glitt. »Da geht es um Riesensummen, wenn sie als vollwertige Stammesmitglieder anerkannt werden, umso mehr, weil dann auch rückwirkend gezahlt wird.«
»Genug, um dafür zu morden?«
»Höchstwahrscheinlich.«
»Aber was bringt es den Reapern, wenn sie Lena loswerden? Die Reaper haben doch dem Stamm gegenüber keinerlei Ansprüche.«
»Vielleicht bezahlt sie jemand, der dem Stamm verbunden ist, damit sie deren Interessen durchsetzen?«
Sie schaute ihn skeptisch an. Das klang sehr weit hergeholt. Denn die meisten Urteile waren zum Vorteil der Cherokee Nation ergangen. Warum also eine derartig extreme Maßnahme ergreifen? »Nein. Da muss mehr dahinterstecken.«
»Nun, Lenas Nachforschungen haben sich jedenfalls als richtig erwiesen. Ihre Familie und einundzwanzig weitere sind in den Stammeslisten von 1883 aufgeführt. Die anderen Familien sind schon vor Generationen von hier weggezogen. Selbst die Hales haben nie wieder auf Indianerland gelebt, seit der einzige überlebende Hale-Sohn aus dem
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