Schweig um dein Leben
miteinander.
Nur ich wusste nichts mit meiner Zeit anzufangen, tat mir selbst leid und war einsamer denn je.
Ein anderer wunder Punkt in unserem Leben war unsere finanzielle Situation. Ich hatte in Norwood zwar nie das Gefühl gehabt, aus einer besonders wohlhabenden Familie zu kommen, da die meisten meiner Mitschüler auf der Springside Academy einen vergleichbaren sozialen Hintergrund gehabt hatten. Aber wir hatten in einem schönen Haus in einem Viertel der oberen Mittelschicht gewohnt, und wenn es irgendetwas gab, das ich gern haben wollte, war das meistens kein Problem gewesen. Jetzt konnte Dad mir noch nicht einmal Taschengeld geben. Das Geld, das wir von Tom bekommen hatten, hatte gerade für das Nötigste gereicht, und auf das Konto bei unserer Bank in Norwood hatten wir keinen Zugriff mehr. Meine Eltern redeten uns – und wahrscheinlich auch sich selbst – zu, das Ganze als Herausforderung zu sehen, als eine Art Überlebenstraining, bei dem man zu improvisieren lernt, als wäre das alles nur ein Spiel. Ich für meinen Teil konnte absolut nichts positiv Herausforderndes daran finden, jeden Cent zweimal umdrehen zu müssen. Dinge, die früher eine Selbstverständlichkeit für uns gewesen waren, wie zum Beispiel ein Küchenabfallzerkleinerer oder eine Spülmaschine, rückten in unerreichbare Ferne, und obwohl Mom wirklich alles getan hatte, um das Haus auf Vordermann zu bringen und gemütlicher zu machen, gelang es ihr nicht, die Kakerlaken loszuwerden. Aber das Schlimmste von allem war, dass wir uns keinen Fernseher leisten konnten, etwas das für mich eher eine Notwendigkeit war als ein Luxus.
Drei sich endlos dahinziehende Wochen verstrichen auf diese Weise. Bis unser öder Alltag durch einen Streit meiner Eltern unterbrochen wurde. Stein des Anstoßes war eine elektrische Schreibmaschine, die Dad im Lager von Zip-Pic gefunden hatte. Jeden Morgen, bevor Dad in den Laden fuhr, bat Mom ihn, sie ihr mitzubringen, und wenn er abends nach Hause kam, hatte er jedes Mal eine andere Ausrede, warum er es nicht geschafft hatte. Zuerst sagte er, er müsse noch Ersatzteile dafür bestellen, dann behauptete er, bei der Reparatur sei irgendetwas schiefgelaufen. Und danach »vergaß« er es einfach immer wieder, bis Mom schließlich die Nase voll hatte.
»Zu beschäftigt!«, explodierte sie beim Abendessen. »Womit denn, bitte schön? Heutzutage hat doch jeder eine Digitalkamera. Wahrscheinlich musst du schon froh sein, wenn pro Tag drei Filme zum Entwickeln abgegeben werden. Wie kannst du also zu beschäftigt gewesen sein, um mir die Schreibmaschine mitzubringen?«
»Na schön, du hast recht, das war nicht der Grund«, gab Dad zu. »Aber ich weiß, dass du an deinem Buch weiterarbeiten willst, sobald du diese Schreibmaschine hast.«
»Natürlich will ich das«, sagte Mom verwirrt. »Wo liegt das Problem? Ob ich nun in Virginia oder hier in Florida schreibe, spielt für das Buch keine Rolle, Hauptsache ich kann arbeiten. Und da wir uns keinen Computer leisten können, ist eine Schreibmaschine besser als nichts.«
»Das Schreiben an sich ist nicht das Problem«, antwortete Dad unbehaglich. »Aber du darfst es nur zu deinem eigenen Vergnügen machen und das Manuskript auf keinen Fall veröffentlichen. Dazu müsstest du dem Verlag unsere neuen Kontaktdaten geben.«
»Ich werde meinem Lektor und dem Verleger erklären, was passiert ist, und sie schwören lassen, absolutes Stillschweigen darüber zu bewahren«, versicherte ihm Mom.
Dad schüttelte den Kopf. »Es würde trotzdem rauskommen. Das weißt du so gut wie ich. Es gibt zu viele verschiedene Abteilungen, die bis zur Fertigstellung des Buches mit dir Kontakt aufnehmen müssten. Sie würden dir Druckfahnen schicken und Entwürfe für das Cover, die Marketing- und Presseleute würden mit dir sprechen wollen und …«
»Ich könnte das Buch unter einem Pseudonym veröffentlichen«, schlug Mom vor. »Oder noch besser, ich könnte es als Ellen Weber schreiben, eine Autorin, die keinerlei Verbindungen zu Elizabeth Corrigan hat. Später können die Neuauflagen dann unter meinem echten Namen erscheinen.«
»Hör auf, so einen Schwachsinn von dir zu geben!«, verlor Dad plötzlich die Geduld. Ich hatte ihn noch nie in so einem Ton mit Mom sprechen hören. »Du hast doch mittlerweile genug über das Thema gehört und gelesen, um zu wissen, wie untergetauchte Menschen aufgespürt werden können. Zum Beispiel weil sie den Fehler gemacht haben, lieb gewonnene Gewohnheiten
Weitere Kostenlose Bücher