Schweig um dein Leben
Beispiel das Spaceship Earth anzuschauen und abends in einem der Restaurants in den europäischen Pavillons zu essen.«
»Aber wir sind doch grade erst in Disney World angekommen, und ich will unbedingt noch mit dem Jungle Cruise fahren!«, rief Jason.
»Deine Mom würde wahnsinnig gern in den Imagination-Pavillon und sich dort den 4-D-Film anschauen«, sagte Dad. »Das wird dir gefallen, glaub mir, die Effekte sollen absolut unglaublich sein. Es gibt auch einen Pavillon extra für Kinder, in dem man selbst Experimente machen kann. Da wirst du bestimmt eine Menge lernen.«
»Ich will aber nichts lernen!«, maulte Jason. »Ich will auf den Jungle Cruise und bei Alice im Wunderland mit einer Teetasse fahren.«
»Wieso geht ihr nicht allein ins Epcot, und ich bleibe mit Jason hier?«, bot ich an, um mich bei meinen Eltern für diesen tollen Tag zu revanchieren. »Ihr habt schon seit einer Ewigkeit nichts mehr ohne uns unternommen.«
»Bist du sicher?«, fragte Mom. »Es gibt dort so viele spannende Dinge zu sehen, dass es schade wäre, den ganzen Weg hierhergefahren zu sein und dann die Hälfte zu verpassen.«
»Lass die Kinder hierbleiben, wenn sie wollen«, sagte Dad. »Das ist bestimmt nicht unser letzter Besuch hier, schließlich wohnen wir jetzt quasi um die Ecke. Heute sollte jeder das tun, was ihm Spaß macht, und wenn Jason sich gern in einer Teetasse drehen will, bis ihm schwindelig wird, dann soll er eben das machen.« Er sah mich an. »Wir treffen uns um sechs am Ausgang und essen noch irgendwo zu Abend, bevor wir nach Hause zurückfahren.«
Wie nicht anders zu erwarten, war Jason nicht mehr zu halten, sobald unsere Eltern außer Hör- und Sichtweite waren, und wollte alle Sachen fahren, die Mom ihm verboten hatte. Außerdem schaffte er es irgendwie, seine Kontaktlinsen herauszunehmen. In der einen Minute war er noch Jason mit den braunen Augen – in der nächsten Bram mit einem braunen und einem blauen Auge.
»Geh auf die Toilette und setz sie wieder ein«, sagte ich streng. »Du weißt genau, dass du sie nicht rausmachen darfst. Als Larry mich neulich abgeholt hat, hast du sie auch nicht dringehabt, und ihm sind deine Augen sofort aufgefallen.«
»Ich hasse die Dinger«, jammerte Jason. »Wie soll ich denn Spaß haben, wenn meine Augen die ganze Zeit wehtun?«
Wir einigten uns schließlich auf einen Kompromiss – ich kaufte ihm eine Mickey-Mouse-Sonnenbrille, und er versprach mir, sie zu tragen, bis wir wieder im Wagen saßen. Nachdem wir das geklärt hatten, schleppte er mich von einer Attraktion zur nächsten, bis ich mich irgendwann fragte, wie ich eigentlich auf die Schnapsidee hatte kommen können, den Babysitter für ihn zu spielen.
Im Verlauf des Nachmittags wurde es immer heißer und immer mehr Menschen drängten sich lärmend durch den Vergnügungspark. Gegen fünf hätte ich mich am liebsten auf eine Bank am See gesetzt und die vorbeiziehenden Leute beobachtet, bis es Zeit gewesen wäre, uns mit unseren Eltern zu treffen. Aber daran war mit meinem völlig überdrehten kleinen Bruder natürlich nicht zu denken.
Als ich gerade erschöpft vor einem der Fahrgeschäfte stand, an einer Cola nippte und Jason dabei zuschaute, wie er sich in einer Teetasse im Kreis drehte, hörte ich plötzlich jemanden nach mir rufen. »April?«
Reflexartig drehte ich mich in Richtung der Stimme um, besann mich dann aber und hielt mitten in der Bewegung inne. Das Herz klopfte mir bis zum Hals. Ein Zufall, nichts weiter, versuchte ich mich zu beruhigen. April war zwar kein weit verbreiteter Name, aber in einem so gigantischen Vergnügungspark wie Disney World war ich mit Sicherheit nicht die Einzige, die so hieß.
Kaum hatte ich den Gedanken zu Ende gedacht, rief die Stimme ein zweites Mal, und dieses Mal gab es keinen Zweifel mehr, dass sie mich meinte. »April Corrigan?«
Einen Moment lang war ich starr vor Entsetzen, dann übernahm mein Selbsterhaltungstrieb das Kommando. Mit einem hastigen Blick vergewisserte ich mich, dass Jason in seiner Tasse sicher war und immer noch seine Sonnenbrille trug. Dann tat ich so, als wäre mir gerade etwas Wichtiges eingefallen, und begann mich eilig von Alice im Wunderland zu entfernen.
»April! Warte, April! Ich bin’s, Jodi!«
Die Stimme kam mir auf einmal schrecklich vertraut vor. Ich beschleunigte meine Schritte, bahnte mir hektisch einen Weg durch die Menge, schob mich an den Wartenden vorbei, die vor dem Space Mountain Schlange standen, und hätte fast eine
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